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African Boogie

African Boogie

Titel: African Boogie
Autoren: Helmut Barz
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trat seine Zigarette aus und ging. Dann passierte nichts mehr. Dennoch spürte Katharina, wie ihr Herz schneller schlug: Zeit zum Aufbruch.
    Hans hatte bereits ihre Reisetasche und den Kosmetikkoffer zum auf dem Nachbarhof wartenden Fluchtauto gebracht. Katharina hängte sich ihre Handtasche über die Schulter. Ihre Pistole nahm sie in die Hand. Wer wusste, welche Überraschungen auf dem Flur und im Keller auf sie warteten.
    Sie schlich die Treppe hinunter, ohne das Licht anzuschalten und glitt durch die Verbindungstür zum Keller des Nachbarhauses. Bevor sie auf den Hof trat, sah sie sich noch einmal um. Keine Menschenseele zu sehen.
    Die Türen des alten, roten Golfs waren offen, der Schlüssel steckte in der Zündung. Katharina stieg ein und legte die Pistole griffbereit auf den Beifahrersitz. Langsam ließ sie den Wagen aus der Einfahrt auf die Straße rollen, als von links ein Auto kam. Der Fahrer blinkte ihr höflich mit der Lichthupe, sie möge doch fahren. Sie tat ihm den Gefallen.
    Der Wagen blieb eine ganze Weile hinter ihr. Ein Verfolger? Als sie auf die Friedrich-Ebert-Anlage einbog, verschwand der Wagen im Verkehr. Dennoch: Sicher war sicher. Sie würde das Verkehrsmittel noch einmal wechseln. Anstatt in Richtung Stadtautobahn abzubiegen, fuhr sie weiter geradeaus zum Hauptbahnhof.
    Katharina steuerte den Wagen in die Tiefgarage an der Nordseite des Bahnhofs. Sie fand eine Parklücke in der Nähe des Ausgangs, stieg aus und sah sich um. In der Ferne lud ein Rentnerpaar Gepäck in einen älteren Mercedes. Sonst war niemand zu sehen.
    Sie nahm ihr Gepäck aus dem Kofferraum, ließ ihre Pistole in der Manteltasche verschwinden und legte den Autoschlüssel unter den Fahrersitz. Kurtz würde den Wagen schon finden.
    Plötzlich tauchte aus dem Halbdunkel der Tiefgarage ein Mann auf. Katharina ließ ängstlich die Hand in die Manteltasche gleiten. Doch der Mann ging an ihr vorüber. Offenbar wollte er nur zum Ausgang. Als er fast schon an ihr vorbei war, dreht er sich doch zu ihr um. Ein Südländer. Mittelgroß. Verdammt!
    Sie wollte schon ihre Pistole ziehen, als der Mann freundlich fragte: »Brauchst du Hilfe oder was?« Er zeigte auf ihre Reisetasche.
    Katharina zwang sich zu einem höflichen Lächeln, während sie den Griff ihrer Pistole fest umklammerte. Sie verneinte und deutete mit einem Kopfnicken auf die Tasche: »Hat Räder!« Ihre Stimme klang kieksig.
    »Sorry ey, hab’ ich dich erschreckt?«, fragte der Mann.
    Katharina schüttelte den Kopf. Der Mann brummte etwas Unverständliches, drehte sich um und ging durch die Stahltür des Ausgangs. Sie atmete tief durch, bis sie nicht mehr zitterte.
    Auf den Bahnsteigen herrschte Trubel wie immer. Katharina tauchte in die Menge ein. Eine Reisende unter vielen. Und unter lauter mittelgroßen Südländern. Wie sagte man doch? Es ist keine Paranoia, wenn wirklich jemand hinter dir her ist?
    Scheinbar ziellos wanderte sie über den Bahnsteig, um etwaige Verfolger zu verwirren. An einem Stand kaufte sie einen Kaffee. Dann ging sie langsam zum Eingang des Tiefbahnhofs. Sie fuhr die Rolltreppen hinab zu den S-Bahngleisen. Sie hatte Glück. Eine S8 fuhr eben ein. Katharina stieg ein, blieb aber mit ihrem Gepäck neben der Tür stehen. Ihr fiel ein, dass sie gar keinen gültigen Fahrschein hatte. Hoffentlich kam keine Kontrolle.
    Im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens herrschte Hochbetrieb. Menschen mit Koffern eilten an Katharina vorbei, vor den Check-in-Schaltern warteten Reisende in langen Schlangen auf ihre Abfertigung. Das hieß, dass sie eine gute Chance hatte, an diesem Abend noch einen Flug zu ergattern. Wenigstens etwas.
    Der Mann auf dem etwas erhöhten Infostand schaute genervt auf, als Katharina auf ihn zumarschierte. Deshalb setzte sie ihr freundlichstes Lächeln auf: »Sagen Sie, hier gibt es doch irgendwo ein Last-Minute-Reisebüro, oder?«
    »Da hammer sogar zwei von. Das da ist ganz neu.« Er deutete mürrisch zu einer Seite der Halle. Dort leuchtete ein rotes Neonschild: Last-Minute-Tours . »Aber wennse nen Tipp wollen?«, fuhr der Mann plötzlich freundlicher fort. »Dann gehnse am besten zum andern. Da machense wirklich Schnäppchen.« Er zog einen Plan des Terminals hervor und kreuzte mit seinem Kugelschreiber an, wo das Reisebüro lag. Katharina nahm den Plan und bedankte sich.
    »Buchen bis zur letzten Minute. Denn manchmal muss man einfach mal ganz schnell raus!«, stand auf dem Schaufenster. Katharina betrat das kleine Ladengeschäft.
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