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African Boogie

African Boogie

Titel: African Boogie
Autoren: Helmut Barz
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verfehlt.
    Sein Vater hatte weniger Glück. Er war innerlich verblutet. Dann war seine Mutter ins Badezimmer gegangen und hatte sich selbst die Kehle durchgeschnitten.
    Die Türklingel riss Andreas Amendt aus seinen Gedanken. Wer konnte das …? Wer wohl? Das konnte nur sie sein. Sie war gekommen, um ihn zur Rede zu stellen. Er hätte nach dem Kuss nicht einfach davonlaufen sollen. Er hätte bleiben sollen. Ihr die Wahrheit sagen. Zu spät.
    Er wollte aufstehen und zur Tür gehen. Doch er hatte einfach nicht Kraft. Nicht heute. Nicht jetzt. Er ließ sich wieder auf das Sofa zurücksinken. Lauschte in die Dunkelheit. Doch es klingelte kein zweites Mal.

Suitcase Blues
     
    »Bereit, jeden Tag im Kampf zu sterben, traten junge wie alte Samurai gepflegt auf, weil sonst ihr toter Körper auf dem Schlachtfeld vom Feind als schmierig erachtet worden wäre.« So hieß es im Hagakure, dem Lehrbuch der Samurai.
    Dieses Zitat raste in Katharinas Kopf herum, während sie zwischen ihrer Wäschekommode und der Reisetasche auf ihrem Bett hin und her hetzte, immer mehr Unterwäsche in die Tasche stapelnd. Endlich zwang sie sich innezuhalten und ließ sich auf das Bett sinken. Sie sah auf den seidenen Body in ihren Händen: Bereit im Kampf zu sterben? Ja. Aber nicht hinterrücks abgeknallt von einem Profikiller. Doch … was sollte sie machen? Sie hatte noch immer keinen Plan. Nur eine Reisetasche voller Unterwäsche. Und einen mit einem repräsentativen Querschnitt ihres Badezimmers gefüllten Kosmetikkoffer. Die drei Geräte mit den Geheimfächern für die Teile ihrer Waffe lagen obenauf. Doch ihre Pistole würde sie erst im letzten Moment verstauen.
    Wo sollte sie hin? Was brauchte sie dazu? Sie wusste es nicht.
    Als sie ihre Wohnung betreten hatte, hatte sie als Erstes ihre große Keksdose, in der sie ihre Pokergewinne aufbewahrte, genommen und Kassensturz gemacht. Etwas mehr als fünfzigtausend Euro. Sie hatte das Geld – lauter gebrauchte Scheine – sortiert und in das verborgene Innenfach ihrer Handtasche gestopft. Ihr Notebook wanderte gleichfalls in ihre Handtasche – sie würde es brauchen, um mit der Außenwelt in Kontakt zu bleiben. Dann hatte sie die Akte aus ihrem Wohnzimmer-Safe geholt: die Fallakte zum Mord an ihrer Familie.
    Sie hatte Lutz gebeten, ihre Reisetasche vom Schlafzimmerschrank zu fischen. Der große Leibwächter hatte ihr gerne den Gefallen getan. Dann war er zurück in die Küche gegangen, wo sein Partner Hans saß. Und vier missgelaunte BKA-Beamte, die Polanski zu Katharinas Schutz geschickt hatte, bis sie die Stadt verlassen konnte.
    Katharina sah auf ihre Reisetasche, die geöffnet auf dem Bett lag. Die Tasche war zwar schon älter, aber wirklich benutzt hatte sie sie nur zweimal: Sie hatte ein halbes Jahr in den USA auf der FBI-Akademie in Quantico verbracht. Und dann damals, als sie als Austauschschülerin nach Südafrika geflogen und so dem Mörder ihrer Familie entgangen war. Aber vielleicht …
    Vielleicht hätte sie damals das Schlimmste verhindern können. Ihrer Schwester den Mann ausreden. Die Verlobung. Die Schwangerschaft. Wenn Susanne etwas machte, dann richtig: Verliebt, verlobt und schwanger in weniger als drei Monaten. Oder sie hätte sogar … Unsinn. Was hätte ein sechzehnjähriges Mädchen gegen einen Wahnsinnigen mit einer Pistole schon ausrichten können?
    Nicht grübeln! Nicht jetzt! Katharina zwang sich, zu ihrer Wäschekommode zu gehen, um sie zu schließen. Doch dann entdeckte sie etwas: In der Kommode, bisher gut unter ihrer Wäsche verborgen, lag ein Badeanzug, immer noch sauber mit Geschenkband verschnürt. Sie nahm das Päckchen heraus und zog die Karte hervor, die noch unter dem Band steckte.
    »Liebe Kaja! Viel Erfolg in Frankfurt. Mach auch irgendwann mal Urlaub! Und lern endlich schwimmen! Alles Liebe, Harry«
    An Harry hatte sie schon lange nicht mehr gedacht. Eigentlich Harald. Harald Markert. Polizeihauptwachtmeister. Er war ihr Ausbilder gewesen. Ihr erster Partner. Mit ihm war sie in Kassel Streife gefahren. Obwohl erst in der zweiten Dreißiger-Hälfte, war er schon damals der nette Schutzmann von nebenan gewesen. Graue Strähnen in den Haaren. Vollbart. Ein kleines Bäuchlein. Stets gelassen: ein Fels in der Brandung. Sie hatten sich angefreundet. Wohl auch, weil Harrys kleine Tochter Annika Katharina ins Herz geschlossen hatte. Das Mädchen hatte sie Kaja genannt. Und Harry hatte diesen Spitznamen übernommen. Wie lange war das jetzt her? Mehr als zehn
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