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African Boogie

African Boogie

Titel: African Boogie
Autoren: Helmut Barz
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ansetzen.
    »Wissen Sie, der menschliche Körper ist seltsam«, unterbrach ihn Katharina erneut, um ihre letzte Trumpfkarte auszuspielen. »Er vergisst Dinge nicht, die er einmal gründlich geübt hat. Schwimmen zum Beispiel. Und mich könnten Sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißen und ich würde die Zielscheibe genauso gut treffen wie heute Nachmittag. – Und dieses Körpergedächtnis funktioniert auch über Amnesien hinweg, wie Sie mir ja vorhin im Pool erklärt haben. Außerdem habe ich im Internet einen ziemlich interessanten Artikel gefunden. Die einzelnen Personen einer dissoziativen Persönlichkeit teilen Kenntnisse. Sprechen. Radfahren. Und auch andere körperliche Fähigkeiten.«
    »Und?«, fragte Andreas Amendt.
    »Ich dachte, das könnten Sie sich zusammenreimen. So schnell und präzise, wie der Mörder von Susanne und meinen Eltern geschossen hat, hat er viele Stunden auf dem Schießplatz verbracht.« Katharina legte eine stolze Pause ein, bevor sie fortfuhr: »Und Sie haben heute erst das zweite Mal in Ihrem Leben eine scharfe Waffe in der Hand gehabt. Hundertprozentig.«
    Andreas Amendt sah sie an. Eine Träne rann aus dem Augenwinkel über seine Wange. Doch er widersprach nicht. Und er lief auch nicht davon.
    Katharina fuhr vergnügt fort: »Um es mit der großen Philosophin und Krimikennerin Kristina Bergthaler zu sagen: Ätsch! Schachmatt!«
    Da musste selbst Andreas Amendt lachen. In diesem Moment schlug die Uhr Mitternacht. Perfektes Timing.
    Katharina stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Gern geschehen. Und ein gutes neues Jahr.«

Hell On Earth – Reprise
     
    Epilog: Frankfurt am Main,
15. Januar 2008
     
    »Sie hätten mir wirklich kein Erste-Klasse-Ticket bezahlen müssen.«
    »Ich wollte aber. Und haben Sie es schon vergessen? Ich bin reich.«
    Andreas Amendt und Katharina hatten ihre Koffer und Taschen von den endlos kreisenden Laufbändern gefischt und auf einen Gepäckkarren geladen, den der Arzt jetzt schob.
    »Ich dachte, Sie wollten Ihr Vermögen nicht anrühren, bis …?« Amendt war stehen geblieben.
    »Hab’ ich auch nicht.« Katharina drehte sich amüsiert zu ihm um: »Das Geld stammt aus meinen Pokergewinnen.«
    »Trotzdem, ich –«
    »Ach, seien Sie doch ruhig! Wir sind hier, oder nicht? – Und wenn Sie wollen, können Sie ja das Ticket mit Ihren Kochkünsten ausgleichen. Deal?«
    »Deal.«
    Sie gingen weiter, den langen Gang entlang, in Richtung Passkontrolle. Frankfurt, der Flughafen der kurzen Wege. Als sie eine frisch gewischte Fläche passierten, raunzte eine schlecht gelaunte Reinigungsaufsichtskraft (oder wie nannte man Hausmeister heute? Facility Manager?) sie an: »Hier können Sie aber nicht langgehen.« – Willkommen in Deutschland!
    Ein letztes Mal zeigte Katharina ihren Pass mit dem Namen Zoë Yamamoto vor. Der frisch gebügelte Beamte winkte sie durch.
    Auch die Zollbeamten nickten nur mürrisch. Wie damals, dachte Katharina. Damals, als sie aus Südafrika nach Deutschland zurückgekommen war, um die Leichen ihrer Familie zu identifizieren.
    Der Flughafen hatte sich sehr verändert. 1991 war hier alles eine einzige Baustelle gewesen. Eng. Improvisiert. Sie war durch die Sperre gekommen, nur einen kleinen Rucksack über der Schulter. Es war alles viel zu schnell gegangen, um noch zu packen: Der Anruf kam mitten in der Nacht. Keine drei Stunden später war sie in Kapstadt ins Flugzeug gestiegen.
    Hier in Deutschland hatte an der Sperre ein Polizist auf sie gewartet. In ihrer Erinnerung war es Polanski. Hatte er sie selbst abgeholt? Bestimmt.
    Der Polizist war nicht allein gewesen. Katharina sah plötzlich das Gesicht seines Begleiters vor sich. Die warmen grauen Augen. Das dunkle Haar, das damals noch nicht grau gewesen war …
    »Geht es Ihnen nicht gut, Frau Klein? Sie sind totenblass.«
    »Was? Ich …«
    Andreas Amendt nahm sie behutsam an den Schultern und setzte sie auf den Gepäckwagen. »Lehnen sie sich nach vorne. Kopf zwischen die Knie. Ja, so. Und tief durchatmen. – Ich hole Ihnen einen Kaffee aus dem Automaten da.«
    Endlich hatte Katharina sich gefasst: »Nein, warten Sie. Ich …«
    »Ja?«
    »Ich weiß, wer meine Familie umgebracht hat.«
    Amendt packte ihre Hände. »Was? Wer?«
    Katharina erzählte. Leise. Rasch. Von ihrer Ankunft damals. Von dem Polizisten, der sie abgeholt hatte. Von seiner Begleitung. Einem Priester.
    »Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, woher ich ihn kenne. Jetzt
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