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Aethermagie

Titel: Aethermagie
Autoren: Susanne Gerdom
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einst gefeierte Sängerin. Ihr Portrait, das sie in Männerkleidern als Giulio Cesare zeigte, hing im Empfangszimmer. Es stimmte, so wie Kato jetzt dastand, sah sie diesem Bildnis erstaunlich ähnlich. Sie wandte sich heftig ab und zog die Jacke aus. Das Vergnügen an der Verkleidung war ihr für den Moment gründlich verleidet.

    Der Laden des Herrn Tiez lag in einer stillen Gasse, in die sich selten jemand zufällig verirrte. Das Schaufenster trug die Aufschrift: »Curiosa und Kramasuri« und wenn man die bimmelnde Ladentür öffnete, stand man in einem halbdunklen, geheimnisvoll wispernden und tickenden Gewölbe voller Regale, Vitrinen, Theken und geschlossener und offener Schränke.
    Kato liebte den Geruch des Ladens, in dem sich altes Leder, staubiges Holz, Kampfer, Gewürze und Maschinenöl zu einem exotischen, die Sinne verwirrenden Gemisch vereinten.
    Horatius Tiez, der jetzt aus den hinteren Gefilden des lang gestreckten Ladenlokals nach vorne kam, war dagegen eine eher prosaische Erscheinung: ein mittelgroßer Mann mit Halbglatze, die von einem grauen Haarkranz umgeben war, einem Kneifer auf der Nase und in einen abgeschabten dunklen Anzug gekleidet, der ein wenig altmodisch wirkte.
    Sein Gesicht strahlte auf, als er Kato erkannte. »Fräulein von Mayenburg«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Wie schön, dass du mich wieder einmal besuchst!«
    Dann erst wandte er sich an Adelaïde und vollführte einen entschuldigenden Kratzfuß. »Baronin Mayenburg. Um Vergebung, dass ich Ihr Fräulein Tochter zuerst …«
    Adelaïde nickte und fragte nach der reparierten Uhr.
    Der Mann verschwand unter Verbeugungen wieder in den Hintergrund, und Ada sah sich mit einem kleinen Naserümpfen um. »Es wird mit jedem Monat staubiger und unordentlicher hier. Ich weiß nicht, ob dies wirklich der rechte Ort ist, um eine kostbare Uhr …«
    »Es ist wunderbar hier«, fiel ihr Kato ins Wort. »Schauen Sie nur, Frau Mama. Diese Vitrine mit den Porzellanfiguren. Woher mögen die wohl stammen?« Sie berührte behutsam einen zierlich bemalten Drachen, der anmutig seine Flügel spreizte, mit der Fingerspitze.
    »Aus dem fernen China«, sagte Herr Tiez, der wieder hereingekommen war. Er trug ein in Papier gewickeltes Paket unter dem Arm. »Ihre Uhr, Frau Baronin. Ich habe sie gereinigt und eine ausgeleierte Feder erneuert. Sie läuft jetzt wieder wie ein junges Uhrwerk.« Er tätschelte die eingepackte Uhr zärtlich wie einen Säugling und übergab sie dann mit den Worten: »Vorsicht, schön achtsam damit, junger Mann« den Händen des still im Hintergrund stehenden Fähnrichs.
    Kato sah zufrieden zu, wie die Freifrau mit ihrer Eskorte abzog. »Herr Tiez«, sagte sie, »ich brauche dringend etwas Neues zu lesen. Und Sie hatten mir doch versprochen, dass ich Ihre mechanischen Tiere sehen darf.«
    Sein Gesicht legte sich in viele lächelnde Falten. »Das habe ich dir versprochen, ja. Zuerst die Bücher?«
    Kato nickte, und Horatius Tiez führte sie in das kleine Nebenzimmer, das vom Boden bis zur Decke mit zerlesenen Büchern vollgestopft war. Er verschwand mit einem: »Ich bringe dir …« und Kato hörte ihn irgendwo im Labyrinth des Ladens geschäftig scheppern, rappeln und klirren.
    Sie vertiefte sich in die Regalseite neben dem kleinen Fenster und fuhr mit den Fingern über die Buchrücken. Hier und da zog sie ein Buch heraus, blätterte darin, las kreuz und quer ein paar Zeilen, stellte es dann entweder wieder zurück zu den anderen oder legte es auf den kleinen Tisch in der Mitte des Zimmers.
    Als der Antiquar zurückkehrte, lag schon ein kleiner Stapel bereit und Kato hatte sich den Regalen an der Stirnseite des Raumes zugewandt. Herr Tiez musterte die Auswahl mit zustimmendem Gebrumm und stellte ein kleines Tablett auf den Tisch. Darauf thronte ein silbernes Kännchen, daneben eine große Porzellantasse mit angeschlagenem Rand.
    »Ich dachte, du magst heiße Schokolade, Fräulein von Mayenburg«, sagte der Antiquar und schüttete duftendes, braunes, schäumendes Gebräu in die Tasse. »Es ist genug für eine zweite Tasse«, erklärte er und legte den Kopf schief, was ihm das Aussehen einer besorgten Eule verlieh. »Darf ich dir empfehlen, dich vorrangig diesem Regal zu widmen?«
    Kato nahm die Tasse und nippte daran. »Das ist sehr lieb und aufmerksam von Ihnen, Herr Tiez«, sagte sie. »Schokolade ist allerdings mein Leibgetränk.«
    »Ich dachte es mir.« Er nickte ihr fröhlich zu und ging hinaus. »Ruf mich, wenn du meine
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