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Aethermagie

Titel: Aethermagie
Autoren: Susanne Gerdom
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Hilfe benötigst.«
    Kato lächelte ihm hinterher. Er war so ulkig, wie er darauf beharrte, sie »Fräulein von Mayenburg« zu nennen, sie aber gleichzeitig mit großer Selbstverständlichkeit zu duzen. Ihre Stiefmutter hatte ihn deswegen schon mehrmals leise gerügt, aber der Tadel glitt an ihm vollkommen ab. Er pflegte verwirrt zu blinzeln und sich zu entschuldigen, zog den Kopf ein wie eine Schildkröte und verfuhr weiter, wie es ihm gefiel.
    Kato widmete sich noch eine selige halbe Stunde den Büchern und ihrer heißen Schokolade, dann musterte sie den Stapel, der sich auf dem Tisch türmte, ein wenig bedauernd auch die Regaltablare, deren Inhalt sie nur flüchtig durchgesehen hatte, und rief nach dem Besitzer.
    Horatius Tiez kam so schnell, als hätte er gleich hinter der Tür auf ihren Ruf gewartet. Er rieb sich vergnügt die Hände und sagte: »Dann wollen wir mal, wollen wir?«
    »Wir wollen«, bestätigte Kato lachend. Sie folgte ihm durch das dunkle, verschachtelte Ladenlabyrinth und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob die Lokalität ein Eigenleben besaß. Es schien ihr, als wären die Räume bei jedem Besuch ein wenig verändert, ein bisschen anders angeordnet, gewachsen oder geschrumpft – oder sogar vollständig verschwunden. War hier beim letzten Mal anschließend an das Bücherzimmer nicht ein schlauchartiger Raum gewesen, der allerlei seltsames, in Spiritus gelegtes Getier auf schmalen Borden an den Wänden beherbergt hatte? Sie hatte sich ein wenig vor all den glasigen Augen gegruselt, daran konnte sie sich noch gut erinnern.
    »Vorsicht«, rief Herr Tiez, und sie zog gerade noch rechtzeitig den Kopf ein, den sie sich sonst am Türrahmen gestoßen hätte. Die Tür schlug hinter ihr zu, und sie fand sich in einem vollkommen finsteren Raum wieder. Sie hörte, wie seine Schritte hallten, als durchquerte er einen leeren Saal oder ein Kirchenschiff. Auch seine Stimme hatte ein Echo, als er sagte: »Bleib ruhig stehen, Fräulein von Mayenburg. Ich mache uns Licht.«
    Seine Stimme und seine Schritte entfernten sich noch weiter, und Kato begann sich zu fragen, wie groß dieser Saal wohl sein mochte, in dem sie stand. Das Haus war ein ganz normales, schmalbrüstiges Bürgerhaus, das eingeklemmt zwischen anderen Häusern stand und auch nach hinten hinaus nur eine begrenzte Ausdehnung aufwies. Wie passte da ein kirchengroßer Saal hinein?
    Sie hörte das charakteristische Zischen, mit dem Æther in einen Lampenkolben strömte. Horatius Tiez murmelte ein paar Worte, die sie nicht deutlich verstehen konnte. »Könnte bitte jemand …«, hörte sie und »… sehr freundlich …«
    Ein Licht glühte auf und wurde stetig heller. Kato sah sich sprachlos um. Sie stand an der Tür einer zwar geräumigen, aber doch nur zimmergroßen Werkstatt. Überall lagen halb oder zur Gänze auseinandermontierte Uhrwerke herum, Körbe voller Metallteile, Kästchen mit Uhrzeigern von der allerfeinsten, spinnenbeindünnen Sorte bis zum armlangen Turmuhrzeiger, Zahnräder, Spiralfedern, Zifferblätter sowie Schlüsselchen, Schlüssel und Riesenschlüssel zum Aufziehen der Uhrwerke. Es tickte und tackte, wisperte und rauschte – und keins dieser Geräusche war bei ihrem Eintreten schon zu vernehmen gewesen.
    Horatius Tiez blickte sich mit zerstreuter Miene in der Werkstatt um. Dann räumte er mit schnellen Handbewegungen einen hochbeinigen Hocker frei und schob klimpernd all die losen Teile auf dem Tisch zusammen. »Setz dich, Fräulein von Mayenburg«, sagte er.
    Kato schob sich auf den Hocker, hängte die Absätze ihrer Stiefel in den unteren Querholm ein und betrachtete mit versunkenem Blick die Ætherlampe, die über der Werkbank hing. Sie leuchtete hell und gleichmäßig, nicht mit dem scharfen Licht der Merkurlampen, sondern warm wie Sonnenlicht. Der Plasmateufel, der in dem Kolben auf seiner Stange saß, schaukelte vergnügt mit den Beinen. Irgendetwas erschien seltsam an dieser Lampe, aber sie konnte nicht erkennen, was es war.
    Zu spät wandte Kato den Blick ab, denn nun sahen sie die dunklen Flecken in dem leuchtenden Gesichtchen an. Das Plasmateufelchen verzog den Mund zu einem breiten Grinsen und winkte ihr zu.
    Kato warf einen hastigen Blick auf Horatius Tiez, der Selbstgespräche führend in einer Kiste herumkramte. Dann hob sie die Hand und winkte zurück. Wahrscheinlich würde der kleine Kerl sie jetzt ansprechen, aber dann würde sie einfach nicht antworten.
    »Hallo«, sagte der Plasmateufel jetzt wirklich. »Wie
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