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Aethermagie

Titel: Aethermagie
Autoren: Susanne Gerdom
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schönes Stück Torte einzuwenden gehabt hätte – aber man musste Prioritäten setzen.
    Bei Frau Havlicek suchten sie aus vielen Ballen Stoff die geeigneten Kandidaten für die passende Pensionats-Ausstattung heraus. Graue und blaue, dezent gestreifte und zart gemusterte Kleiderstoffe; Schürzen, Blusen und Chemisen wurden bestellt und eine neue Garnitur Unaussprechliche, ein vanillegelber Korsettstoff aus festem Satin landete auf dem Berg, klein geblümte Miederstoffe, zart pastellfarbene Bändchen und Verschnürungen … Kato fügte sich zähneknirschend ins Unvermeidliche. Wenigstens würde sie nicht albern aussehen. Brav und langweilig war zwar auch nicht viel besser, aber albern – albern wollte sie um den Tod nicht erscheinen!
    Sie wandte sich ab und ließ ihre Stiefmutter und die Frau Havlicek über passenden Futterstoff und das Material der Unterröcke diskutieren. Ihr Blick wanderte über die aufgestellten Kleiderpuppen mit ihren Ballroben und Morgengewändern, Nachmittagskleidern, Staubmänteln und … Sie riss die Augen auf und nahm die Puppe gründlich unter die Lupe. Ein hübscher, rehbrauner Anzug hing da, mit dunklen Paspelierungen, einer gestreiften Weste, einer schmalen Hose und einem blendend weißen Hemd. »Frau Havlicek?«, fragte Kato und befühlte das Jackett. »Das ist aber klein für einen Mann.«
    Die Schneiderin lächelte und steckte ein paar Nadeln in das rotsamtene Nadelkissen an ihrem Arm zurück. »Das war ein Kostüm für den großen Maskenball am Kaiserlichen Hof«, erklärte sie. »Die Fürstin von Enzenberg hat diesen Anzug für sich bestellt, aber der Fürst fand die Idee wohl weniger famos. Jetzt geht die fürstliche Gnaden als Rokoko-Dame und ich sitz auf dem Kostüm.«
    Kato zog die Jacke von der Puppe und hielt sie sich an. »Könnte mir das passen?«
    »Wozu …?«, begann Adelaïde verwundert, und gleichzeitig antwortete Frau Havlicek, die ein Geschäft für ihren Ladenhüter witterte: »In der Länge dürft’s passen, gnädiges Fräulein. Die Oberweite ist ein wenig zu üppig, aber das kann ich leicht ändern.« Sie nahm Kato die Jacke geschäftig aus den Händen, steckte flink ein paar Nadeln hier und da hinein und sah Kato an. »Möchten Sie den Anzug einmal probieren?«
    »Katharina«, warf die Freifrau ein, »Kind, was hast du im Sinn?«
    »Wir sind doch auch auf die Hofburg geladen, Frau Mama. Darf ich wohl dieses Kostüm tragen?« Kato warf ihr einen bittenden Blick zu.
    »Es schickt sich doch nicht, wenn ein junges Mädchen …« Adelaïde zog die Lippe zwischen die Zähne. Sie sah ihre Stieftochter an und seufzte. »Na gut«, sagte sie. »Immerhin ist es ein Maskenball. Ich hoffe allerdings, dein Vater hat nichts dagegen, dass seine Tochter in einem solchen Aufzug zum Ball geht.«
    Kato stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Sie nahm der Schneiderin das Jackett aus der Hand und verschwand hinter dem breiten Paravent. Eine Verkleidung als junger Mann – sie war höchst gespannt, was der Papa dazu sagen würde, und musste lachen, als sie sich sein Gesicht vorstellte.
    Eine Viertelstunde später stand sie vor dem großen Spiegel, Frau Havlicek zupfte hier und steckte da, und Kato betrachtete sich mit großen Augen. Wären da nicht die lockigen, dunklen Haare gewesen, die sich in ihre Stirn und neben den Wangen ringelten, dann wäre wohl kaum jemand auf den Gedanken gekommen, ein Mädchen vor sich zu sehen. Zum ersten Mal, seit sie denken konnte, bedauerte Kato es nicht, dass ihre Züge eher herb als lieblich zu nennen waren; ihre Nase etwas zu groß, das Kinn ein wenig zu energisch, der Mund eine Winzigkeit zu breit, auch die Stirn breiter, als es dem Schönheitsideal entsprach, die Augenbrauen eine Spur zu dicht und zu gerade.
    »Ein schmucker Bursch, wahrhaftig«, sagte die Schneiderin lachend. »Wenn Sie so auf den Ball gehen, gnädiges Fräulein, dann werden Sie gebrochene Mädchenherzen hinter sich lassen.«
    Kato griff nachdenklich in ihre Frisur und schob die Locken aus dem Gesicht. Ihre Stiefmutter lachte und half ihr, die Haare aus der Stirn fernzuhalten. »Ja, wirklich, einen hübschen Jungen gibst du ab, Katharina.«
    Kato sah, wie Adelaïdes Gesicht das Lachen verlor und ernst wurde, während ihre Stiefmutter sie musterte. »Was haben Sie, Frau Mama?«
    Adelaïde schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich habe nur gedacht, wie sehr du dem Bildnis deiner Mutter gleichst.«
    Kato wandte ihren Blick wieder dem Spiegel zu. Ihre Mutter, die
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