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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum
Autoren: Andrea Bottlinger
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euch.« Sie wandte sich zum Gehen, hielt dann mitten im Schritt inne und stieß ein nervöses Lachen aus. »Wie dumm von mir. Natürlich tut er das.« Mit diesen Worten eilte sie davon, ließ Jul mit einem Kloß in der Kehle zurück. Wenn sie nur wüsste …
    Nach einer Weile gab er sich einen Ruck und ging zu Karins Grab hinüber. Amanda und ihr Bruder standen noch immer dort, ebenso der Priester. Amandas Wangen wirkten eingefallen, sie hatte tiefe Ringe unter den Augen. Erst am vergangenen Abend hatten ihre Schmerzen endlich nachgelassen, und sie war in einen tiefen Erschöpfungsschlaf gefallen. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie sich von der Tortur des Entzugs ganz erholt hatte.
    Sie schenkte ihm ein Lächeln, das er erwiderte. Dann blickte er auf den Sarg hinab. Ob es Karin etwas bedeutet hätte, dass er an ihrem Grab stand? Er konnte es nicht sagen.
    Kränze lagen auf dem Sarg, die paar Schaufeln Erde hatten sie nicht bedecken können. Einer davon war besonders prachtvoll, und zwischen den Blumen steckten kleine Gefäße, geformt wie Amphoren. Jul runzelte die Stirn, las den ganzen Text auf der Schleife.
    »Ich werde dein Andenken ehren. Balthasar.«
    Unwillkürlich tastete Jul nach dem Griff seines Schwertes, fand aber nur leere Luft. Natürlich hatte er die Waffe nicht mit auf den Friedhof gebracht.
    Wie konnte der Dämon es wagen? Doch nun war klar, was die Amphoren zu bedeuten hatten. Sie mussten Totenopfer beinhalten, wie sie üblich gewesen waren, als man Baal noch verehrt hatte.
    Jul schenkte dem Kranz noch einen düsteren Blick, dann schüttelte er den Kopf. Er würde dem Dämon nicht den Gefallen tun, sich über solche Gesten aufzuregen. Stattdessen atmete er tief durch und wandte sich ab. Immerhin hatte Baal den Anstand gehabt, nicht persönlich bei der Beerdigung zu erscheinen.
    Als Jul aufsah, fing er den Blick des Priesters ein. Sofort sah dieser zu Boden. Er verneigte sich sogar. »Es ist eine große Ehre …«
    Hinter sich hörte Jul Amanda leise kichern. Zumindest hatte sie trotz allem, was hinter ihr lag, ihren Humor nicht verloren.
    Jul berührte sein Gegenüber vorsichtig am Arm und richtete ihn wieder auf. Mit einem Mal erschien ihm das Leben ohne Flügel, ohne Verantwortung so viel einfacher. Beinahe sehnte er sich dorthin zurück.
    »Ich bin nur hier, um … Abschied zu nehmen. Danke, dass Sie sich von mir nicht haben ablenken lassen.«
    Der Priester murmelte seinerseits fahrig einen Dank, drehte dabei die Notizen zu seiner Predigt in den Händen. »Wenn es keine Umstände macht … dürfte ich vielleicht …«
    Er würde nach dem Weltuntergang fragen, Jul war sich beinahe sicher. Er unterdrückte einen Seufzer und nickte.
    Der Mann räusperte sich. »Im Verlauf der jüngsten … Ereignisse habt ihr zu Vertretern aller drei großen Religionen gesprochen. Aber es gibt so viele Unterschiede zwischen dem Judentum, dem Christentum und dem Islam. Sie können doch unmöglich alle recht haben. Deshalb wollte ich fragen …« Er holte noch einmal tief Luft. »Welche ist die richtige?«
    Jul atmete erleichtert auf. Er würde nicht versuchen müssen, die jüngsten Ereignisse zu erklären. Die Frage des Priesters war ihm da sehr viel lieber.
    »Reicht es nicht, dass ihr im Glauben Frieden findet? Warum wollt ihr dazu auch noch unbedingt recht haben?«
    Sein Gegenüber zögerte kurz, dann erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. »Das heißt also, es gibt mehr als einen Weg zur Wahrheit?«
    Wahrheit. Jul kämpfte darum, eine freundliche Miene zu bewahren. Die Wahrheit würde Millionen Menschen in die Verzweiflung treiben. Zumindest noch. Würde sich der Glaube an die neuen Begebenheiten anpassen? Wer würde das Machtvakuum füllen, das mit dem Tod des Herrn entstanden war? Vielleicht niemand. Jul hatte schon oft Menschen sagen hören, sie würden an eine nicht näher definierte höhere Macht glauben. Eine Macht, die ihn an das erinnerte, was Amanda beschrieben hatte. »Götter«, hatte sie gesagt. »Götter sind Splitter von etwas Größerem.«
    Die Frage war, was diese höhere Macht wohl von den Menschen hielt. Sollte man etwas verehren, dessen Absichten man nicht kannte? Jul hatte es selbst einst getan, der Herr war nicht anders gewesen. Aber seitdem hatte sich viel verändert.
    »Iacoajul!«
    Der Ruf riss ihn aus seinen Gedanken, und er sah auf. Dicht über dem Kiesweg setzte Muriel gerade zur Landung an und entfachte dabei einen Wind, der an ihrer aller Kleidung zerrte. Die Flügel
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