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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum
Autoren: Andrea Bottlinger
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Balthasar wandte sich um und öffnete das Fenster. Mit einem Satz war er auf dem Fensterbrett. »Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.« Kurz nickte er Jul zu. »Bis demnächst, Engel.«
    Dann stieß Balthasar sich ab, breitete die Schwingen aus und schwang sich in den anbrechenden Morgen. Und verschwand hoffentlich für immer aus Amandas Leben.

47
    D er Wind trug die Stimme des Priesters über den Friedhof. Jul stand abseits der anderen Trauergäste, von denen einige ihm nervöse Blicke zuwarfen. Momentan waren seine Schwingen nicht zu sehen, aber sie hatten alle beobachtet, wie er gelandet war. Es hatte keinen Sinn mehr, sich zu verstecken.
    Viele waren nicht gekommen. Karin hatte größtenteils Online-Freunde gehabt, die nicht einmal ihren richtigen Namen kannten. Doch Jul konnte in der kleinen Gruppe eine ältere Frau ausmachen, die vielleicht ihre Mutter war. Er hatte sie nie gesehen. Sie stand direkt neben Amanda und Roman, während der Priester seine Rede beendete und nun seinerseits zu Jul hinübersah. Er lächelte dem Mann zu, obwohl ihm nicht danach war.
    Die ältere Frau trat vor. Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie eine Handvoll Erde ins Grab schaufelte. Die Brocken schlugen dumpf auf den Sarg, in dem keine Leiche lag. Jul hatte sie unter dem Alexanderplatz zurücklassen müssen. Der Krater war ihr eigentliches Grab.
    Nach und nach warfen die Anwesenden Erde ins Grab. Dann zerstreuten sie sich, gingen über die Kiesweg davon, nicht ohne Jul dabei neugierig oder misstrauisch zu mustern. Die ältere Frau machte ein paar Schritte in seine Richtung, zögerte dann und schien es sich anders zu überlegen. Bevor sie sich ganz abwenden konnte, ging er auf sie zu. Sie blieb stehen, erstarrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines Lkws und sah ihm mit einer Mischung aus Unsicherheit und Ehrfurcht entgegen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, zu Fuß herzukommen.
    »Sind Sie Karins Mutter?«
    Sie nickte schüchtern.
    »Dann … tut es mir leid.« Selbst in seinen Ohren klangen die Worte lahm. Er hatte Karin nicht beschützen können. Nichts, das er sagte, konnte daran etwas ändern.
    »Danke.« Die Frau nahm wahrscheinlich an, er habe ihr schlicht sein Beileid ausgesprochen. Jul hatte niemandem gesagt, wie Karin wirklich gestorben war. Und er brachte nicht die Kraft auf, das nun nachzuholen. Sie schniefte und betupfte sich mit einem schwarzen Stofftaschentuch die Augen. Dann sah sie ihn voller Hoffnung an. »Ist sie … ist sie jetzt im Himmel?«
    Jul nickte zögernd. Zumindest die Möglichkeit bestand. Die Energie, die die Seraphim Himmel und Hölle entzogen hatten, war zurückgeflossen. Es existierte ein Jenseits, auch wenn Juls Boten berichteten, dass es sich von dem unterschied, das sie kannten. Es wirkte ungeformter, schien sich noch nicht ganz entschieden zu haben, was es sein wollte. Aber wahrscheinlich machte das keinen Unterschied. Immerhin hatte diese Existenzebene früher auch schon anders ausgesehen. Walhalla und Hel. Elysium und Tartaros. Duat. All diese Vorstellungen vom Jenseits musste es dort einst gegeben haben, je nachdem, wie mächtig die jeweiligen Götter gerade gewesen waren.
    »Kannst du …« Karins Mutter räusperte sich. »Können Sie ihr etwas ausrichten?«
    Bedauernd schüttelte Jul den Kopf. »Es tut mir leid, ich kehre nicht dorthin zurück.« Außerdem hätte er nicht gewusst, wo im Strom der Seelen er anfangen sollte zu suchen.
    »Wegen der ganzen schrecklichen Dämonen, die hier ihr Unwesen treiben?«
    »So ist es.« Die Dämonen hatten bereits deutlich gemacht, dass sie sich nicht erneut in die Hölle verbannen lassen würden. Ihnen gefiel es unter den Menschen sehr viel besser. Also würden die Engel ebenfalls auf der Erde bleiben müssen, um sicherzustellen, dass das Gleichgewicht gewahrt war.
    »Natürlich.« Die Frau nickte, als habe sie gerade etwas bestätigt bekommen, das sowieso schon jeder wusste. Es war erstaunlich, wie schnell sich der menschliche Geist an neue Begebenheiten anpasste. »Ich bin sehr froh, dass ihr uns gegen diese Unholde verteidigt. Lasst euch bitte nicht von denen vertreiben, die sich über die Zerstörung beschweren. Wo gehobelt wird, fliegen Späne, sage ich.« Sie schniefte erneut. Vielleicht dachte sie daran, dass Karin einer dieser Späne war. Die offizielle Geschichte zum Tod ihrer Tochter lautete, dass diese sich aus Neugierde in ein Kampfgebiet gewagt hatte. Wie nicht wenige andere Menschen auch.
    »Gott schütze
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