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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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stellte sie auf den Ofen. Der Priester stellte sein mit Schnee gefülltes Gefäß daneben.
    Daraufhin ergriff der junge Vikar ein Reisigbündel und eine Schaufel und beseitigte die Exkremente der drei Tiere. Anschließend
verstreute er Asche und Fichtennadeln, um die üblen Gerüche zu vertreiben.
    Aba holte ein Brot mit dicker Kruste aus seinem Schrank und wickelte es aus dem Tuch.
    Der Vikar brach das Schweigen.
    »Ich muss mich in die Kirche begeben, um die Prim vorzubereiten. Ich wünsche Euch viel Freude mit den Kleinen, mein Pater!«
    Der Priester bedankte sich, und Augustodunensis verschwand durch die Hintertür.
    Aba beglückwünschte sich, dass die Vorsehung ihm diesen jungen Mann geschickt hatte: Er war zupackend, scheute nie vor einer Arbeit zurück, kannte seine Psalmen auswendig und war von Natur aus zuversichtlich. Von jenen Klerikern, die für die nächste Jahreszeit das Ende der Welt prophezeiten, hatte Aba genug.
    Der Priester verteilte ein Dutzend Holzschüsseln auf dem Tisch und nahm ein Messer, mit dessen Klinge er die schwärzliche Brotkruste zerteilte.
    Er ergriff die Einführung in das ewige Evangelium von Johannes von Parma, in der er am Vorabend neben dem Ofen gelesen hatte, und stellte sie wieder auf ihren Platz auf der Leiter. Er wartete und schaute auf die Milch von Augustodunensis, die auf dem Ofen dampfte.
    Schon bald wurde die Eingangstür stürmisch aufgestoßen. Ein kleiner Blondschopf erschien im Türrahmen: ein fünfjähriger Junge.
    »Guten Morgen, Pater Aba.«
    Er trat ein, gefolgt von einer Schar weiterer Kinder, darunter zwei Mädchen. Insgesamt waren es zwölf Kinder zwischen vier und acht Jahren, von denen eines blonder, rosiger und frischer als das andere war.
    Aba goss das warme Wasser aus, damit sie sich die Hände wuschen und das Gesicht schrubbten. Sie nahmen ihre Plätze auf den
Bänken um den Tisch ein und hefteten ihren Blick auf die Schale mit Milch und die Brotscheiben.
    Pater Aba füllte jede Schüssel zu gleichen Teilen.
    Sie sprachen die Dankgebete für Speis und Trank, dann wurde das Zeichen zum Essen gegeben.
    Pater Aba lächelte. Diese Kinder boten doch ein reizendes Schauspiel. Sie waren das »Wunder« seines Dorfes …
     
    Alles hatte mit seinem Vorgänger begonnen.
    Fünfzig Jahre lang war Pater Evermacher das Herz und die Seele im Dorf Cantimpré gewesen. Er hatte die christlichen Tugenden bis ins Heldenhafte vorgelebt und die Jahrzehnte des Aufruhrs in seinem Land unbeschadet überstanden.
    Evermacher war ein beispielhafter Katholik. Seine Seelenreinheit hatte seine Schäfchen vor den Versuchungen der Ketzerei bewahrt, die sich immer weiter ausbreitete, je mehr die sittliche Verderbtheit des Klerus ruchbar wurde.
    Seine kleine Pfarrgemeinde war von der Jagd auf die Katharer und Waldenser, die die Region verheerte, verschont geblieben. Zwar waren 1240, 1258 und 1274 Dominikanermönche gekommen und hatten eine kleine Inquisition an Ort und Stelle durchgeführt, ohne dass jedoch jemand verurteilt worden wäre.
    Damit nicht genug: Obwohl die Gemeinde sich schon unter Evermachers Priesterschaft als ein bevorzugtes Fleckchen Erde gefühlt hatte, setzten sie die Wohltaten, die auf die Ankunft seines jungen Nachfolgers folgten, noch mehr in Erstaunen.
    Weltabgeschnittene Dörfer litten unter einer hohen Kindersterblichkeit und einer erheblichen Zahl von Todesfällen unter den Gebärenden. Das galt auch für Cantimpré. Wenige Monate nach dem Eintreffen Abas jedoch begannen alle Mütter und Säuglinge die Geburt zu überleben, ohne dass man dies hätte erklären können. Das erste Kind wurde als ein Zeichen des Himmels für
den neuen Priester gefeiert, das zweite, das dritte und alle anderen schließlich lösten erst Verblüffung und dann Begeisterung aus.
    Man konnte nicht mehr die Augen vor dem Offenkundigen verschließen: In Cantimpré starb niemand mehr eines vorzeitigen Todes!
    Der Kindersegen veränderte das Erscheinungsbild des Dorfes, das lebhafter wirkte als früher. Und nichts deutete darauf hin, dass diese Erneuerung der Lebenskraft sich bald erschöpfte: Fünf Frauen waren schwanger, eine davon stand kurz vor der Niederkunft.
    Zudem wurden immer mehr Kranke geheilt. Skrofeln und Grind verschwanden, ein Mädchen, das von Geburt an lungenkrank gewesen war, konnte in den Wäldern umhertollen, eitrige Ausflüsse klärten sich, und die Alten kamen wieder zu Kräften. Der Brotteig ging immer auf und das schnell. So war es Monat für Monat, und wenn eine
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