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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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Benedetto täglich seinen halben Krug) und begann sodann über den letzten Fall nachzudenken, der ihm aufgetragen worden war.
    Als er an diesem Morgen des 9. Januar 1288 seine Tür aufschloss, bemerkte er die Gestalt eines jungen Mädchens, das in eisiger Kälte auf der anderen Straßenseite wartete, dabei auf seine Füße starrte und nur die Lippen bewegte.
    Gui kehrte an seinen Arbeitstisch zurück. Jedesmal, wenn er den Kopf von seinem Schreibkasten hob, sah er das junge Mädchen, das seinen Platz nicht verlassen hatte.
    Er beschloss, seinen Ofen nachzuheizen und eine Kanne Milch warm zu machen. Eine halbe Stunde verging, bis das Mädchen sich endlich entschloss, an seine Tür zu klopfen.
    Sie war noch keine fünfzehn Jahre alt und in Lumpen gekleidet.
Ihr blasses Gesicht, ihre müden kleinen Augen und ihre schmale, beinahe kränkliche Gestalt weckten Mitleid.
    Er forderte sie zum Hinsetzen auf, legte eine Wolldecke über ihre Schultern und bot ihr eine Schale dampfender Milch an.
    Die Kleine war ganz durcheinander.
    »Es tut mir schrecklich leid, Euch zu stören, Maestro!«
    »Sag so etwas nicht. Du musst einen guten Grund dafür haben, dass du es wagst, nach deinem endlosen Zaudern über meine Schwelle zu treten. Die meisten Mädchen wie du flüchten am Ende. Und da wir nun schon einmal dabei sind, möchte ich dringend diesen Grund erfahren. Wie heißt du?«
    »Zapetta. Ich bin die Tochter des Tischlers Simon und der Messinghämmerin Emilia. Wir wohnen in der Via Regina Fausta, hinter den Termen des Diokletian.«
    Gui zog die Augenbrauen hoch.
    »Du bist durch die ganze Stadt gelaufen bei dieser Kälte?«
    Sie antwortete mit bebender Stimme.
    »Man hat mir versichert, dass Ihr ein guter Mann seid und für alles eine Lösung findet. Ich wäre selbst dann gekommen, wenn Ihr in Viterbo wohnen würdet.«
    Benedetto lächelte und nahm ihr gegenüber Platz.
    »Ich höre.«
    »Ich weiß nicht, womit ich anfangen soll. Dort vor der Tür habe ich mir zwar alles Mögliche zurechtgelegt …«
    »Das habe ich gesehen. Lass dir Zeit. Beginn mit dem Anfang. Was ist passiert?«
    Sie schöpfte tief Atem.
    »Mein Bruder ist verschwunden.«
    »Dein Bruder. Wie heißt er?«
    »Rainerio.«
    »Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor fünf Tagen. Zwei Männer erschienen bei uns. Wir wohnen
bei unseren Eltern. Mein Bruder sprach alleine mit ihnen. Die Unterhaltung dauerte nicht lange. Wenige Augenblicke später verließ er das Haus, um ihnen zu folgen, er machte mir noch ein Handzeichen, das mich beruhigen sollte. Seitdem haben wir ihn nicht mehr wiedergesehen.«
    »Fünf Tage?«
    Zapetta nickte zustimmend und fügte hinzu: »Unser Vater und unsere Mutter sind alt, mein Herr, sie sind heute eher eine Last als eine Hilfe. Mein Bruder sorgt dafür, dass wir ein Auskommen haben.«
    Plötzlich rief sie aus: »Niemals würde er es wagen, so lange wegzubleiben, ohne uns vorher Bescheid zu geben oder uns eine Nachricht zukommen zu lassen. Ihm muss ein Unglück widerfahren sein!«
    »Ich verstehe.«
    Benedetto holte eine Wachstafel und einen knöchernen Griffel aus seinem Schreibkasten hervor.
    »Was macht dein Bruder, um seine Familie zu ernähren?«
    Sie nahm einen Schluck Milch und sagte: »Er arbeitet im Lateranpalast.«
    Er hatte kaum zu schreiben begonnen, als er schon wieder innehielt. Er ließ bei seinen Nachforschungen in mancher Hinsicht Vorsicht walten, um sich selbst zu schützen, und eine seiner Regeln lautete, niemals dem Lateran und seinen mächtigen Prälaten zu nahe zu kommen. Die Intrigen, die dort gesponnen wurden, gehörten zum Gefährlichsten, was es gab.
    »Wirklich?«, wunderte er sich. »Und wie kommt es, dass der Sohn eines Möbeltischlers sich an einem so namhaften Ort aufhält? Hat er sein Gelübde abgelegt?«
    »Nein, Rainerio ist weltlich geblieben. Aber als wir Kinder waren, hatten wir einen alleinstehenden alten Mann zum Nachbarn, der Rainerio ins Herz schloss und ihm Lesen und Schreiben auf
Lateinisch beibrachte. Mit sechzehn wurde Rainerio sein Sekretär. Dieser Herr hieß Otto Cosmas und stammte aus dem Königreich Böhmen. Er lebte völlig zurückgezogen und arbeitete an der Abfassung eines Buches, das Rainerio zufolge die Geschichte der Heiligen erzählen sollte. Mein Bruder behauptete, es sei ein Auftrag des Laterans, und das Werk werde Furore machen. Er war stolz darauf, daran mitzuwirken. Doch der alte Otto Cosmas starb, bevor er es vollenden konnte. Da setzte mein Bruder es sich in den Kopf,
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