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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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verabscheut Blut …«

ERSTER TEIL

I
    A n diesem 9. Januar 1288 erwachte Pater Guillem Aba lange vor Tagesanbruch.
    Er betete gewissenhaft seinen Rosenkranz, bevor er, noch immer eingewickelt in die Decken, die ihn des Nachts gewärmt hatten, seine Schlafkammer im ersten Stock des Pfarrhauses verließ.
    Am Fuß der Treppe schob er die zwei Schafe und das Ferkel beiseite, die in dieser Jahreszeit unter einem Dach mit ihm hausten. Mit einem Feuerstein und Zunder entzündete er eine Öllampe.
    In der Stube wurde es hell: eine niedrige Decke, mächtige Balken, die sich unter ihrer Last bogen, zwei Eingänge, ein mit Ölpapier zugestopftes Fenster, ein langer Tisch, ein Ofen, Reisigbündel und eine Leiter, deren Trittstufen als Ablage für etwa fünfzehn darauf liegende Bücher dienten.
    Das Pfarrhaus war zusammen mit der nahen Kirche das einzige Gebäude aus Stein im Dorf. Doch kein Gläubiger beneidete ihn darum, denn seine Mauern waren eisig, feucht und schlecht isoliert durch einen Strohlehm, dem es an Halmen mangelte.
    Pater Aba fachte mit einem Schürhaken die Glut in seinem Ofen an. Sodann ging er mit einem tiefen Zinngefäß zum Ausgang.
    Gewöhnlich stieg er zu dem Bächlein hinab, das unterhalb der Kirche sprudelte, doch da in diesem Jahr das Bachbett zugefroren
war, konnte man daraus kein Wasser schöpfen. Aba begnügte sich also damit, Schnee in seinem Behälter zu sammeln. Der Winter 1288 gehörte für manch einen zu den härtesten, die er seit langer Zeit erlebte.
    Der Himmel war noch schwarz. Ringsum herrschte Stille. Aba konnte indes schwach einige Hütten erkennen, die ebenfalls innen erleuchtet waren. Zwei neue Behausungen waren im Bau.
    So merkwürdig es war, diese arme Gemeinde am Ende der Welt befand sich in voller Expansion.
    Das Dorf Cantimpré lag auf der Hochebene von Gramat im Quercy. Es zählte nur an die zwanzig alte Hütten, die von kahlen Bäumen und Hochweiden umgeben waren und über einer engen Schlucht lagen.
    Seit nunmehr acht Jahren übte Pater Aba hier sein Amt aus. Er war zu Fuß aus Paris gekommen (das von den hiesigen Bewohnern als »neues Babylon« geschmäht wurde), wo er an der Petite Sorbonne eine Zeit lang Philosophie gehört hatte. Aus freien Stücken hatte er das Studium abgebrochen, um stattdessen die Verantwortung für ein kleines, ungebildetes Völkchen zu übernehmen, das schlicht und arbeitsam und schwer zu begeistern war und Gott um seiner selbst willen fürchtete und nicht wegen seiner Stellvertreter auf Erden.
    Aba, der dem Dritten Orden des heiligen Franziskus angehörte, hatte seine Wahl nie bereut.
    Was die Bewohner von Cantimpré bei seiner Ankunft am meisten erstaunt hatte, war sein Alter. Es schien ihnen unvorstellbar, dass die kleine Dorfkirche einem Mann zufallen könnte, der noch nicht einmal dreißig Jahre alt war.
    Allerdings war er ein sehr schöner Mann. Er hatte braune Augen, eine hohe Stirn, eine schmale, gerade Nase und eine makellose Tonsur. Seine Züge waren vollkommen ebenmäßig und ein wenig weiblich. Sein Gesicht stach angenehm hervor: »Engelhaft«
nannten es die Frauen. Seit christlichem Menschengedenken hatte man keinen so schönen Mann gesehen, nicht einmal auf Bildern.
    Pater Abas Hände waren steif vor Kälte, als er mit dem gefüllten Gefäß aufstand und sich auf den Weg zurück in seine schützende Unterkunft machte.
    Während seiner kurzen Abwesenheit hatte ein junger Mann das Pfarrhaus durch die Hintertür betreten.
    Es war Augustodunensis, der erst vor kurzem aus dem Dorf Dammartin im Norden in Cantimpré eingetroffen war, sein einziger Helfer.
    Der Bischof von Cahors hatte Abas Bitte um einen zusätzlichen Mann für die Gemeinde stattgegeben und ihm diesen jungen Bruder geschickt, einen braven, verständigen und gesitteten Jungen. Augustodunensis war groß, hatte schmale Schultern und noch jugendliche Gesichtszüge, nahm jedoch alles, was er tat, mit entschlossener Miene in Angriff.
    Er wohnte erst seit zwei Wochen im Dorf und hauste über dem Verschlag für das Holz.
    »Guten Morgen, Auguste«, begrüßte ihn der Priester, während er die Tür hinter sich schloss.
    »Habt Ihr gut geschlafen, mein Pater?«
    »Nein. Ich hatte wohl ein bisschen Fieber. Es hat mir schlechte Träume beschert.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Sprechen wir nicht mehr darüber. Wir haben Dringenderes zu tun. Heute ist Mittwoch!«
    »Ich habe es nicht vergessen.«
    Augustodunensis zeigte auf die große Schale dampfender Milch, die er mitgebracht hatte. Er
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