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Admiral

Admiral

Titel: Admiral
Autoren: T.C. Boyle
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ihre Frage einzugehen. »Die allerdümmsten Hunde der Welt? Wissen Sie nicht? Wegen der Anlagen. Afghanische Windhunde haben das, was man eine unkomplizierte genetische Linie nennt, eine gerade Linie zurück bis zum Urahn der Hunde, zum Wolf. Anlagen«, sagte er und erhob die Stimme, so dass Admiral erschrocken aufsah, »damit wir dann diese Reinform, diesen dämlichen Hund, diese Kopie der Natur haben.«
    Nisha strich ihr T-Shirt glatt und zog die Beine an. Das Wasser reflektierte das Sonnenlicht, so dass sie die Augen zusammenkneifen musste, um ihn zu sehen. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, sagte sie, »Erhard. Wenn das überhaupt Ihr richtiger Name ist.«
    Wieder dieses langsame Drehen des Kopfs von einer Seite zur anderen, ein rhythmisches Hin und Her der Zerknirschung. »Ja«, sagte er schließlich und holte tief Luft, »ich bin einer von ›diesen Tierfreaks‹.« Für einen Augenblick ging sein Blick in die Ferne, dann sah er sie wieder an. »Aber ich bin auch Journalist, in erster Linie Journalist. Und ich möchte, dass Sie mir helfen.«
    Als die Strikers abends nach Hause kamen – sie fuhren im Konvoi, ihr Wagen hinter seinem, durch das Tor, und Admiral raste über den Rasen und bellte die unwiderstehlich schimmernden Radkappen des ersten und dann des zweiten Wagens an –, fühlte Nisha sich hin- und hergerissen. Natürlich war sie den Strikers verpflichtet. Und Admiral ebenfalls, denn ganz gleich wie hirnlos und hässlich dieser Hund war, ganz gleich, wie oft er auf den Teppich pinkelte oder in Blumenbeeten wühlte oder sich zum Küchentisch reckte, um irgend etwas zu verschlingen, das jemand auch nur dreißig Sekunden unbeaufsichtigt gelassen hatte – sie fühlte sich ihm verbunden. Alles andere wäre auch ziemlich herzlos gewesen. Und herzlos war sie nicht. Sie war so sensibel wie jeder andere. Sie liebte Tiere, besonders Hunde, sie mochte es, wie Admiral aufsprang, wenn sie durch die Tür trat, wie sein langes Fell tanzte, wie er laut und ausgelassen bellte und seine feuchte, mit Barthaaren besetzte Schnauze in ihre Hand drückte. Aber bei Erhard hatte sie ganz andere Gefühle.
    Was war es? Eine sexuelle Regung, ja, absolut – nach dem dritten Bier hatte sie sich zum ersten einer langen Reihe von langen, schmelzenden Küssen zu ihm gebeugt –, aber es war doch auch mehr als das. Das, um was er sie gebeten hatte, enthielt ein Element der Übertretung, etwas, was ihren Geist der Rebellion, der Anarchie ansprach, die Lust, mit der Nadel in den Ballon zu stechen … aber da waren die Strikers und stiegen aus ihren jeweiligen Wagen, während Admiral ekstatisch bellend zwischen ihnen hin und her sprang. Gretchen rief ihr etwas zu und versuchte erfolglos, das hohe Jaulen des Hundes zu übertönen. Im nächsten Augenblick kam sie mit strengem Gesicht über den Rasen auf Nisha zu.
    »Lassen Sie ihn nicht dem Wagen nachjagen«, sagte sie, während Admiral sie rennend umkreiste wie ein Staubteufel, nach ihren Knöcheln schnappte und wieder zurücksprang. »Das ist eine schlechte Angewohnheit.«
    »Aber Admiral – ich meine, der erste Admiral – hat das doch auch die ganze Zeit gemacht.«
    Gretchen hatte das Haar aufgesteckt, so dass die Konturen ihres Gesichts scharf hervortraten. Plötzlich waren da überall Falten und Runzeln, Krähenfüße und Tränensäcke – wie kam es, dass Nisha sie bisher übersehen hatte? Gretchen war alt, mindestens fünfzig, das war die Erkenntnis, die Nisha in diesem Augenblick kam, im grellen Licht der Sonne, während sie den Geschmack von Bier und Erhard noch auf ihren Lippen hatte. »Das ist mir gleichgültig«, sagte Gretchen. Sie stand jetzt neben Nisha wie eine von den Gärtnern in diese perfekte Landschaft gestellte Figur.
    »Aber ich dachte, es soll alles dasein, auch schlechte Verhaltensweisen. Denn sonst –«
    »Aber so ist der Unfall ja passiert. Am Hundepark. Er ist durch das Tor gelaufen, bevor Cliff oder ich ihn hindern konnten, und auf der Straße ist er irgendeinem Idioten auf einem Motorrad nachgerannt …« Sie sah an Nisha vorbei zum Pool; dort stand Admiral und trank, wobei sein schmaler, dreieckiger Kopf sich hob und senkte, als wäre er an einer Pleuelstange befestigt. »Und darum«, sagte sie, »werden wir gewisse Verhaltensweisen modifizieren müssen. Zum Beispiel will ich nicht, dass er aus dem Pool trinkt. Zu viele Chemikalien.«
    »Ja, klar«, sagte Nisha und zuckte die Schultern. »Ich werd’s versuchen.« Sie rief: »Böser Hund, böser
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