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Admiral

Admiral

Titel: Admiral
Autoren: T.C. Boyle
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gegen die Gesetze der Natur – und auch gegen die Gebote Gottes, ja, auch gegen die – zu verstoßen, nur um ihre eigenen egoistischen Wünsche zu befriedigen. Admiral würde nichts geschehen – er würde sich freuen, mal in einer anderen Umgebung zu sein. Und sie wusste doch, wie sehr ihm der Hund ans Herz gewachsen war. »Aber diese Leute werden ihr eigenes Tier nicht erkennen«, hatte er beharrt, und seine Stimme war hart gewesen vor Überzeugung. »Und dann habe ich meine Story, und die Welt wird es erfahren.«
    Als sie das Tor geschlossen hatten, ließen sie die Hunde von der Leine und gingen hinter das Haus, wo man sie nicht sehen konnte. Sie gingen Hand in Hand, seine und ihre Finger ineinander verschränkt. Die Sonne stieg hoch, eine leise Brise vom Meer ließ die Bäume rascheln, und sie sahen zu, wie die Hunde hin und her rannten, sprangen, schnappten und sich überschlugen in hündischer Ekstase. Admirals langes, ausgekämmtes Fell umwallte ihn in wildem Wirbeln, und der neue Hund, Erhards Hund, der Hochstapler, glich ihm aufs Haar, bis in die kleinste Bewegung. »Du warst mit ihm im Hundesalon, stimmt’s?« sagte sie.
    Erhard nickte steif. »Klar, was denkst du denn? Er muss genau gleich sein.«
    In Gedanken versunken, sah sie den Hunden noch eine Weile zu. Ihre Bedenken verstummten unter der Berührung seiner Finger, der Knochen und Sehnen, des vereinten Fleisches, und warum sollte sie nicht mitmachen? Was konnte schon passieren? Sein Artikel oder Exposé oder was immer es war würde in der Schweiz erscheinen, auf deutsch, und die Strikers würden nie davon erfahren. Und wenn sie davon erfuhren, wenn der Artikel ins Englische übersetzt wurde und im ganzen Land Schlagzeilen machte, dann geschah es ihnen nur recht. Es stimmte, was Erhard sagte. Sie wusste es. Sie hatte es schon immer gewusst. »Wie heißt er eigentlich?« fragte sie, während die Hunde in einem Knäuel aus Fell und wirbelnden Beinen vorbeirasten. »Hat er einen Namen?«
    »Fred.«
    »Fred? Was ist denn das für ein Name?«
    »Was ist Admiral für ein Name?«
    Sie wollte ihm gerade die Geschichte des ursprünglichen Admiral erzählen, dass er seinen Namen wegen seiner Begeisterung für die Yacht der Strikers bekommen hatte und dass sie vorhatten, so bald wie möglich mit Admiral II zum Meer zu fahren, als das vertraute Rumpeln des sich öffnenden Zufahrtstors sie innehalten ließ. Im nächsten Augenblick rannte sie zur Ecke des Hauses, von wo sie die lange asphaltierte Auffahrt sehen konnte. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus: Es war Gretchen. Gretchen, die früher heimkam, weil es irgendeine Krise gegeben hatte: verlorene Unterlagen, einen Fleck auf der Bluse, die Grippe. Gretchen in ihrem schwarzen BMW , die darauf wartete, dass das Tor sich ganz öffnete, damit sie zum Haus fahren und die Herrschaft ausüben konnte über alles, was darin war, einschließlich der pissfleckigen Teppiche und ihres unübertrefflichen Hundes. »Schnell!« rief Nisha und fuhr herum. »Fang sie ein! Fang die Hunde ein!«
    Sie sah Erhard losstürzen und nach den Hunden greifen, doch er ging zu Boden, und beide rissen sich los. »Admiral!« rief er und rappelte sich auf. »Hierher, Admiral! Komm!« Der Augenblick donnerte in ihren Ohren. Die Hunde zögerten, das lachhaft lange, wellige Fell beruhigte und glättete sich für einen Augenblick, und dann kam einer – es war Admiral, es musste Admiral sein – zu ihm. Erhard hielt ihn fest, doch im selben Moment stellte der andere beim Geräusch des Wagens die Ohren auf und rannte um die Ecke des Hauses.
    »Ich halte sie auf«, rief Nisha.
    Erhard, der fast zwei Meter große Erhard, war bereits unterwegs zum Poolhaus, in den Armen den zappelnden Hund.
    Aber der andere Hund – es war Fred, er musste es sein – jagte jetzt dem Wagen in der Auffahrt hinterher und schnappte nach den Rädern, und als Nisha um die Ecke bog, sah sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Chefin. Der Wagen kam zum Stehen, der Motor erstarb, und fast im selben Augenblick packte sie das Halsband des Hundes. Gretchen stieg aus, die Absätze akkurat auf den Asphalt gestellt, die Schultern unter dem passgenau sitzenden Jackett gestrafft. »Ich dachte, ich hätte Sie angewiesen …« begann sie mit hoher, tadelnder Stimme, doch dann hielt sie inne, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Aber wo ist Admiral?« sagte sie. »Und wem gehört der Hund hier?«
    Im Laufe ihres Lebens, mochte es auch kurz gewesen sein, hatte sie etliche
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