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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway
Autoren: Leonardo Padura
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den Rauch durch die Nase aus und hustete. Vom Husten stiegen ihm Tränen in die Augen, und seine Stimme hörte sich weinerlich an. »Sie machen mir unnötig das Leben schwer, Hemingway. Im Dezember geh ich nach dreißig Dienstjahren in Pension, wegen Invalidität. Irgend so ’n Schwein hat mir das Knie kaputtgeschossen, und jetzt bin ich im Arsch … Ich kann denen doch nicht erzählen, dass ich meine Marke verloren hab, als ich auf Ihr Grundstück gesprungen bin. Und schon gar nicht, dass die Pistole weg ist. Verstehen Sie?«
    »Das werden die sowieso erfahren … Wenn ichs der Presse erzähle …«
    »Ich bitte Sie, Hemingway, hauen Sie mich nicht in die Pfanne.«
    »Aber Sie, Sie können mich in die Pfanne hauen und auch noch schmoren lassen, was?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. Er sprach und rauchte, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen. »Hören Sie, Hemingway, ich bin ein Nichts, mich gibt es gar nicht. Ich bin nur ’ne Nummer in einer riesigen Abteilung. Reißen Sie mich nicht rein, bitte! Die Berichte über Sie, die hab ich nicht geschrieben. Ich hab nur den Auftrag, Sie zu überwachen, das ist alles. Sie und fünfzehn andere verrückte Amerikaner, die sich wie Sie hier in der Stadt aufhalten und die Kommunisten mögen.«
    »Das ist eine Sauerei!«
    »Jawohl, das ist eine Sauerei. Fahren Sie nach Washington und sagen Sie das unserm Chef. Oder gleich dem Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich. Die geben nämlich die Anweisungen. Nicht mir direkt, natürlich. Zwischen denen und mir gibts noch Tausende von Vorgesetzten …«
    »Und seit wann werde ich überwacht?«
    »Was weiß ich … Seit den Dreißigerjahren, glaub ich. Ich hab erst seit zwei Jahren damit zu tun, seit ich der Botschaft in Havanna zugeteilt worden bin. Und ich verfluche den Scheißtag, als ich mich bereit erklärt habe, in dieses Scheißland zu gehen! Sehen Sie, wie ich schwitze, die Feuchtigkeit ist Gift für mein Knie, und der Rum weicht mein Hirn auf … Sagen Sie, mit dem ganzen Geld, das Sie haben, wie zum Teufel sind Sie auf die Idee gekommen, gerade hier zu leben?«
    »Welche Informationen haben Sie über mich gesammelt?«
    »Nichts, was nicht allgemein bekannt ist.« Jetzt nahm er doch die Zigarette aus dem Mund und trank das Glas leer. »Wohin soll ich mit der Asche?«
    Er ging zum Regal, das unter dem Fenster stand, und dachte plötzlich: Wie absurd, dass dieser Mensch mit seiner Zigarettenasche den herrlichen venezianischen Kristallaschenbecher, ein Geschenk seiner alten Freundin Marlene Dietrich, beschmutzen würde. Er warf dem Polizisten den Aschenbecher zu, und der fing ihn mit einer trotz des Alters, der Leibesfülle und des Alkoholspiegels flinken Bewegung auf und bedankte sich.
    »Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet«, insistierte er.
    »Mr. Hemingway, bitte … Sie wissen doch, dass Hoover Sie nicht mag, oder?« Der Mann wirkte jetzt müde. Er hob den Blick und sah, dass die Wanduhr zehn vor zwei zeigte. »Ich habe nur weitergegeben, was alle Welt weiß: wer Sie besucht, wie es hier auf den Partys zugeht, wer von Ihren Freunden Kommunist ist und wer es sein könnte. Sonst nichts. Das über Ihren Alkoholismus und über die hässlichen Dinge aus Ihrem Privatleben stand schon in Ihrem Dossier, als ich nach Kuba gekommen bin. Außerdem … ich trinke selber viel zu gerne, als dass ich über Kollegen schlecht reden würde«, fügte er lächelnd hinzu.
    Das erste Symptom dafür, dass sich sein Blutdruck erhöht hatte, war das Stechen in den Schläfen, dem im nächsten Moment eine totale Gefühllosigkeit im Hinterkopf folgen konnte, direkt an der Schädelbasis. Danach kam die Hitze in den Ohren. Doch niemals zuvor war der stechende Schmerz so heftig gewesen. Was meinte er mit »hässliche Dinge aus dem Privatleben«? Was wussten diese Leute über ihn, diese Gorillas, die sich ungestraft auf dem Antlitz der Erde bewegen durften?
    »Was meinen Sie mit ›hässlichen Dingen‹?«
    »Wäre es nicht besser, Sie geben mir jetzt meine Dienstmarke und meine Pistole zurück und ich verschwinde, und alles ist in Butter? Ich glaube, ja …«
    Er dachte einen Moment lang darüber nach und entschied sich dann für einen Kompromiss: »Die Pistole hab ich nirgendwo gesehen. Ihre Dienstmarke, ja, die lag neben dem Swimmingpool, unter der Pergola.«
    »Natürlich«, sagte der Mann grinsend, »hab ichs doch gewusst! Ich hatte mich ’n Moment hingesetzt und ’ne Zigarette geraucht. Mein Knie tat mir weh … Und die
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