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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway
Autoren: Leonardo Padura
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verdammte Pistole, lag die nicht auch da?«
    »Nein … Ich geb Ihnen die Marke aber nur, wenn Sie mir sagen, was in meinem Dossier steht.«
    Der Agent drückte die Kippe im Aschenbecher aus und stellte ihn auf den Teppich. »Großer Gott, Hemingway! Hören Sie auf, mich fertig zu machen, und geben Sie mir meine Plakette!« Seine Stimme klang jetzt hart, seine Augen drückten Hass und gleichzeitig Verzweiflung aus.
    »Dienstmarke gegen Information!«, rief er, und Black Dog fing wieder an zu bellen.
    »Der Scheißköter soll endlich still sein! Gleich kommt noch Ihr Wachposten …«
    »Die Information!«, beharrte er.
    »Verfluchte Scheiße!« Der Mann hob den Revolver und zielte auf die Brust des Schriftstellers. »Bringen Sie den Köter zum Schweigen, oder ich knall ihn ab!«
    »Wenn Sie den Hund erschießen, kommen Sie hier nicht lebend raus. Also, was steht in meinem Dossier?«
    Der Mann schwitzte aus allen Poren, der Schweiß rann ihm in Bächen übers Gesicht. Den Revolver auf Hemingway gerichtet, schob er sich den Hut in den Nacken und wischte sich mit der Linken die Stirn ab.
    »Seien Sie nicht albern, Hemingway! Ich darfs Ihnen nicht sagen.«
    »Dann geb ich Ihnen auch nicht Ihre Dienstmarke. Ich ruf jetzt die Wache.«
    Black Dog bellte immer noch, als er sich dem Fenster näherte. Er hatte das Gefühl, sein Kopf würde platzen. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er wusste nur noch, dass er die Verzweiflung des FBI-Agenten ausnutzen musste, um ihn zum Reden zu bringen. Der überraschte Polizist brauchte eine Weile, bevor er reagierte, dann ging er auf Hemingway zu und streckte den Arm aus, um ihn an der Schulter festzuhalten. Das gelang ihm auch, doch Hemingway hatte inzwischen einen der massiven Silberleuchter aus der Extremadura gepackt. Er drehte sich um und schlug auf den Polizisten ein. Er traf ihn am Hals, mit voller Wucht, aber nicht platziert. Der Polizist wich zurück, die Linke auf die Stelle gepresst, an der ihn der Schlag getroffen hatte, während er mit dem Revolver nach wie vor auf den Schriftsteller zielte.
    »Was soll der Scheiß! … Ich bring dich um, du schwule Sau!«
    Der erste Schuss hallte durchs Haus. Der FBI-Agent taumelte nach links und fasste sich an den Bauch. Er wankte, als wäre er total betrunken, versuchte das Gleichgewicht wieder zu gewinnen und den Revolver auf Hemingway zu richten. Als er ihn vor der Mündung hatte, fiel der zweite Schuss. Die Augen weit aufgerissen, die linke Hand auf dem Bauch, die rechte um den Revolvergriff geklammert, kippte der Mann zur Seite, als hätte ihm jemand freundschaftlich auf die Schulter geklopft.
    Calixto ließ die Thompson sinken. Neben ihm, in der Tür, stand Raúl, in der zitternden Hand eine schwarz glänzende, noch rauchende Pistole. Erst jetzt ließ auch er die Waffe sinken, während Calixto sich dem am Boden liegenden Mann widmete. Er trat mit dem Stiefel auf die Hand, die den 22er umklammert hielt, und mit dem anderen Fuß beförderte er den Revolver in eine Ecke.
    »Alles in Ordnung, Papa?« Raúl ging zu ihm.
    »Weiß nicht, ich glaub, ja.«
    »Wirklich?«
    »Ich hab doch gesagt, ja! Und die Pistole? Woher hast du die Pistole?«
    »Muss wohl die von dem da sein. Calixto und ich haben sie im Garten gefunden.«
    »Der Scheißkerl hätte dich umgebracht, Ernesto«, sagte Calixto.
    »Meinst du?«
    »Ja, das meine ich«, sagte Calixto und lehnte die Thompson gegen die Wand.
     
    »Warum wolltest du nicht mit in die Zentrale?«
    »Ich will da nicht mehr hin.«
    »Bist du nie mehr dort gewesen?«
    »Nein, kein einziges Mal.« El Conde beugte sich über den Herd, um sich zu vergewissern, dass der Kaffee durchzulaufen begonnen hatte. »Ich bin kein Polizist mehr und gedenke es nie wieder zu werden.«
    Teniente Manuel Palacios saß am Tisch und fächelte sich mit einer alten Zeitung Luft zu. Sosehr er auch darauf bestanden hatte, El Conde weigerte sich hartnäckig, mit dem neuen Chef der Kripozentrale zu reden. Er hatte nur eingewilligt, von Manolo nach Hause gefahren zu werden.
    Mario nahm eine große Steinguttasse aus dem Schrank, löffelte die erforderliche Menge Zucker hinein und goss dann den Kaffee darüber. Mit fachmännischem Ernst rührte er den Kaffee um, bis die dunkle Flüssigkeit aufschäumte, und schüttete ihn zurück in die gusseiserne Kanne. Dann goss er seinem Freund eine kleine Tasse und sich selbst die große ein, die er zum Aufschäumen benutzt hatte. Er atmete den heißen, aromatischen Duft ein und
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