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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition)
Autoren: Astrid Rosenfeld
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das heimlich in der Küche, aber heute stand die Flasche auf dem Klavier. »Hast du verstanden? Zweifle, wenn dich alle verdammen, und zweifle genauso, wenn dir alle auf die Schulter klopfen.«
    Ich nickte.
    »Versuch nicht, deine Zweifel zu beseitigen, aber lass dich auch nicht von ihnen auffressen. Verstehst du das?«
    Ich nickte abermals, ohne die geringste Ahnung zu haben, wovon meine betrunkene Klavierlehrerin da gerade sprach.
    »Bring die Schäfchen nicht ins Trockene. Lass sie draußen, und hol ihnen einen Schirm. Oder halt den verfluchten Regen einfach aus. Das geht vorbei. Denn drinnen, drinnen ist nichts zu holen, Eduard. Ich bin drinnen. Da ist nichts.«
    Die Nöff stand auf, nahm ihre Flasche und ging in das andere Zimmer ihrer Zweiraumwohnung. Ich hörte, wie sie die Türe hinter sich zuzog. Dann war es still. Ich wartete, bis meine Stunde vorbei war, legte das Geld auf den Tisch und verschwand.
    Diese dritte Stimmung der Nöff blieb ein einmaliges Ereignis. Es folgten wieder die üblichen Stunden. Mein untalentiertes Geklimper oder ihr Chopin-Geschwätz. Weder die Schäfchen noch die Zweifel wurden je wieder erwähnt und der Rum nur noch in der Küche ausgeschenkt.
    Der nächste Monat kam und sein erster Sonntag. Es war Professor Doktor Strombrand-Rosselang, der mir den Tag, auf den ich so sehnsüchtig gewartet hatte, gehörig verdarb.
    Anstatt Jack Moss wiederzusehen, saß ich mit Oma und Mutter in einem deprimierenden Häuschen in Zehlendorf, das der Professor »mein Domizil« nannte. Er pries sein Zuhause als den idealen Ort für eine kleine Familie an, und Lara Cohen pflichtete ihm so überschwenglich bei, dass Mama und ich verschämt zu Boden sahen. Wir waren also immer noch zum Abschuss freigegeben.
    Es gab Kaninchen.
    »Ich züchte sie selbst«, sagte der Professor. Im Garten stand ein Schuppen, in dem die Tiere lebten, bis er Lust bekam, eines zu schlachten.
    Professor Doktor Strombrand-Rosselang besaß eine Bibliothek. Eine echte. Nicht bloß einen Dachboden voller Gerümpel so wie wir. Regale bis zur Decke. Die Bücher, die allesamt wie neu aussahen, ordentlich sortiert.
    »Das ist sicher schrecklich viel Arbeit, alles instand zu halten«, bemerkte Oma.
    »Eine einsame Arbeit.« Die übliche Arroganz schwand aus seiner Stimme. Der selbstbewusste Professor verwandelte sich auf einmal in eine traurige Gestalt mit Halbglatze. »Sehr einsam. Ja, die Einsamkeit…«, seufzte er, und ich schwöre, ich habe Tränen in seinen Augen gesehen. Lara Cohen hätte nicht schockierter geschaut, wenn er seine Hose heruntergezogen hätte, um ein bisschen mit seinem Penis zu spielen.
    »Was für eine schöne Sammlung. Wunderbare Bücher, lieber Professor Doktor Strombrand-Rosselang…«, unterbrach Oma das Klagelied unseres Gastgebers und betonte seine Titel mit äußerster Schärfe.
    Nach der Bibliotheksbesichtigung platzierte der Professor uns am gedeckten Tisch und holte das Kaninchen aus der Röhre.
    »Das sieht phantastisch aus, und wie das duftet«, sagte Oma. »Ein Arzt, der auch noch kochen kann. Ich bin begeistert.« Sie hörte gar nicht mehr auf, ihn und das Essen zu loben.
    »Ich habe mir extra ein Buch über das Schächten zugelegt und Winkie, so heißt die Dame, die wir gerade verspeisen, nach dieser Methode geschlachtet. Frau Cohen, Fräulein Cohen, ich respektiere Ihren Glauben zutiefst.«
    Mama und ich konnten unser Lachen kaum unterdrücken.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    »Nein, nein. Das ist eine wirklich noble Geste. Wirklich nobel.«
    »Winkie ist nicht koscher.« Es platzte einfach aus mir heraus.
    »Edward«, fauchte Lara Cohen.
    »Wie bitte?«, fragte der Professor irritiert.
    Ich blieb stumm. Es war Mama, die ihn mit leiser Stimme aufklärte.
    »Ein Kaninchen ist nicht koscher. Egal, wie sie es schlachten. Es ist einfach nicht koscher.« Sie lächelte mild.
    »Das macht nichts, werter Professor. Wir sind da sehr liberal«, sagte meine Großmutter.
    »Opa nicht.«
    »Edward, würdest du jetzt bitte den Mund halten.« Oma streckte ihren Schwanenhals zu bedrohlicher Länge aus. Ich konnte ihren Atem spüren, und einen verrückten Moment lang befürchtete ich, dass Lara Cohen mir die Nase abbeißen wollte.
    »Vielleicht möchte der Nachwuchs die Ställe besichtigen?«, fragte Professor Doktor Strombrand-Rosselang nach dem Essen mit gewichtiger Miene.
    »Was für eine wunderbare Idee. Edward liebt Tiere. Nicht wahr, Edward?«
    Die Ställe waren nicht mehr als ein düsterer
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