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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition)
Autoren: Astrid Rosenfeld
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oder Norwegen. Das weiß man nicht so genau.«
    »Da hast du ja schon eine ganze Biographie beisammen, da kann man ruhig eine rauchen.«
    Ich war acht, und meine erste Zigarette schmeckte zum Kotzen.
    »Und der Doktor mit dem langen Namen, ist das ein Arzt?«
    »Ja, für Frauen. Nur für Frauen.«
    Jack stimmte ein trauriges Lied an, während ich mich bemühte, meinen Hustenreiz zu unterdrücken.
    »Man muss für die Elefanten singen, das bringt Glück«, sagte er.
    »Ist das dein Beruf?«
    »Nein, das ist meine Religion«, antwortete Jack.
    »Wir sind Juden. Wir beten.«
    Die zweite Zigarette schmeckte schon ein bisschen besser und machte mich irgendwie mutig. Ich traute mich nun, die Fragen zu stellen, die mir durch den Kopf schossen. Er war Amerikaner und Reisender, Musiker und Geschäftsmann. Keine Verwandtschaft mit Elvis. Keine Kinder und keine Frau. Er war erst seit ein paar Wochen in Berlin, davor in Hamburg, davor in Kiel, davor in Italien.
    Er hieß Jack Moss, und ich bewunderte ihn augenblicklich.
    Nach der dritten Zigarette verwandelte sich meine Kühnheit in Unruhe. Bald würden Mama und der Professor kommen, um mich abzuholen. Ich würde Jack wahrscheinlich nie wieder sehen. Aber ich wollte, dass dieser Mensch in meinem Leben blieb. Da sagte er, als ob er meine Gedanken gelesen hätte, dass er noch eine ganze Weile in Berlin bleiben und jeden ersten Sonntag im Monat den Elefanten einen Besuch abstatten werde.
    Ich hörte Schritte und ließ die Zigarette fallen.
    »Eddylein.«
    Jack und ich drehten uns gleichzeitig um. Röte überzog schlagartig Mamas Gesicht, das eben noch fahl und abgekämpft gewirkt hatte. Ich konnte es in ihren Augen lesen, sie war hingerissen von dem Mann, der ebenso schön aussah wie der echte Elvis. Jack stand auf und ging mit leichten Schritten auf meine Mutter und den Professor zu.
    »Guten Tag, Jack Moss.« Sein amerikanischer Akzent, in dem noch irgendetwas anderes mitschwang, war betörend.
    Während Mama strahlte und strahlte, musterte der Professor den falschen Elvis voller Argwohn.
    »Arbeiten Sie hier, Herr Moss?«, fragte er.
    »Ja, und am Sonntag ziehe ich immer einen Anzug an, bevor ich die Ställe ausmiste«, antwortete Jack und zwinkerte meiner Mutter zu.
    »Sie sind ja ein richtiger Spaßvogel, Herr Moss.« Der Professor gab sich alle Mühe, möglichst herablassend zu klingen.
    »Manchmal.«
    »Und Engländer«, stellte Herr Professor Doktor Strombrand-Rosselang fest.
    »Nein, Amerikaner mit ein paar italienischen und sehr vielen irischen Wurzeln.«
    »So, so. Können wir dann los?« Er griff nach Mamas Hand. »Einen schönen Tag noch, Herr Moss.«
    »Wünsche ich Ihnen auch.« Jack klopfte mir auf die Schulter. »Bis bald, Ed.« Er zwinkerte Mama ein letztes Mal zu.
    Schweigend verließen wir den Zoo. Sobald wir den Ku’damm erreicht hatten, machte sich der Professor Luft und dichtete Jack Moss einen ganzen verbrecherischen Lebenslauf an.
    Mama und ich sagten nichts, wir lächelten vor uns hin.
    An diesem Abend legte Magda Cohen ihre alten Elvis-Platten auf, wackelte mit den Hüften und sang mit dem King im Duett.
    Mamas gute Laune weckte Lara Cohens Misstrauen.
    »Na, hattet ihr einen schönen Tag im Zoo?«, fragte sie mich.
    »Weiß nicht.« Ich hielt es instinktiv für ratsam, Jack Moss nicht zu erwähnen.
    »Edward, was ist das denn für eine Antwort? ›Weiß nicht‹? Also, hattest du einen schönen Tag oder nicht?«
    »Mmm«, machte ich.
    »Und deine Mutter? Was ist mit deiner Mutter los?«
    »Weiß nicht.«
    »Und wo ist der Professor? Ich dachte, er würde heute Abend bei uns essen.«
    »Weiß nicht.«
    Oma musterte mich skeptisch, aber ehe sie mich weiter ausquetschen konnte, verzog ich mich auf mein Zimmer.
    In der Woche darauf lernte ich eine dritte Gemütsverfassung meiner Klavierlehrerin kennen. Es gab Tee, aber sie sagte nichts. Als ich vorschlug, ihr das Lied vorzuspielen, das ich hatte üben sollen, schüttelte sie den Kopf.
    »Bitte nicht, Eduard«, hauchte die Nöff.
    »Geht es Ihnen heute nicht gut?«, fragte ich vorsichtig.
    Die Nöff lachte laut und hysterisch. »Mir geht es schon lange nicht mehr gut, mein liebes Kind.«
    Ich starrte in meinen Tee und überlegte, ob es wohl unhöflich wäre, ihr einfach die 23 Mark hinzulegen und zu gehen. Zwei Tropfen Rum perlten von ihrem Schnurrbart, als ich wieder aufsah.
    »Eduard, hör niemals auf zu zweifeln.« Sie goss sich noch einen Schluck Hochprozentiges in ihre Tasse. Normalerweise machte sie
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