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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition)
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Endlich hörte ich den Schlüssel und rannte zur Tür. Magda Cohen sah aus, als ob sie eine Schlacht bestritten hätte. Abgekämpft und das Haar zerzaust.
    Normalerweise hätte sie ein bisschen geschimpft, weil ich eigentlich schon schlafen sollte, aber sie legte ihren Arm um mich und seufzte: »Ach Eddylein, Herrgott.«
    Ich folgte Mama in ihr Zimmer.
    »Er redet so schrecklich viel«, sagte sie und warf sich auf ihr Bett.
    »Mama, ich brauche keinen Vater.«
    »Ich weiß, Eddylein, ich weiß.«
    »Was machen wir denn jetzt?« Ich fragte das nicht wie ein Kind seine Mutter, sondern wie ein Soldat seinen Kameraden.
    »Wenn ich das nur wüsste.«
    Meine Hoffnungen, dass Opa durch weitere gebügelte und gestriegelte Auftritte das Herz meiner Großmutter erweichen und sie vielleicht ihre Pläne vergessen würde, erfüllten sich nicht.
    Der Professor holte meine Mutter nun regelmäßig ab, und irgendwann wurde auch ich in die Sache hineingezogen. An einem eiskalten Sonntag schleppte Herr Professor Doktor Strombrand-Rosselang mich und Mama in den Zoo. Wir waren so ziemlich die einzigen Besucher an diesem Winternachmittag. Zielstrebig marschierte der Professor voran. Wir stolperten ihm durch den Schneematsch hinterher.
    »Die Pandabären«, seufzte er.
    Das Pandabären-Pärchen war eine Schenkung der chinesischen Regierung an den Altbundeskanzler Schmidt. Das gab dem Professor ordentlich Zunder. Es folgte ein Vortrag über China, die Bundesrepublik Deutschland, alles, was davor war, und alles, was seiner Meinung nach danach kommen würde.
    Vielleicht war der zweite schon tot, denn ich erinnere mich nur an einen einzigen Pandabären. Er gewährte uns eine volle Stunde lang den Anblick seines Rückens, bis er sich in einer schleppenden Bewegung umdrehte und uns mit dösigem Blick musterte. Es stank nach Affenpisse. Der Professor dozierte, der Panda stopfte Bambus in sich hinein, und Mama und ich hielten einfach den Mund.
    »Ich muss auf die Toilette«, unterbrach ich den Professor, der mich zuerst ungläubig, dann verärgert ansah.
    Mama nahm meine Hand, und mit einem Nicken gestattete Herr Professor Doktor Strombrand-Rosselang uns den Abmarsch.
    »Ich warte hier«, sagte er, klopfte einmal gegen die Glasscheibe des Pandageheges und fuhr mit seinem Vortrag fort.
    »Er redet mit sich selbst«, flüsterte ich meiner Mutter zu.
    Sie lächelte nur müde. Ein eisiger Wind blies uns ins Gesicht.
    »Ich muss gar nicht«, gestand ich ihr.
    »Ich weiß, Eddylein. Ich weiß.«
    Ziellos liefen wir durch die Kälte.
    »Mama, ich mag ihn nicht.«
    »Wenn er doch nicht so viel reden würde«, sagte sie.
    »Lass uns einfach gehen.«
    »Wohin denn, Eddylein?«
    »Nach Hause.«
    Einen Moment lang führte ich sie in Versuchung, und ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken auf. Aber dann erlosch ihr Blick, und sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, das können wir nicht machen.«
    Magda Cohen trank jeden Kelch bis zur Neige.
    Das Tröten eines Elefanten zerriss die Stille. Heute würde ich sagen, es war kein Zufall. Heute würde ich sagen, er hat mich gerufen.
    »Mama, kann ich bei den Elefanten warten?«, bettelte ich.
    Während meine Mutter zurück zu den Pandabären lief, ging ich in die entgegengesetzte Richtung.
    Als ich das Elefantenhaus betrat, hörte ich zuerst den Gesang. Dann sah ich ihn. Er saß auf einer Bank. Zigarettenrauch verhüllte seine Gestalt. Ein Teil von mir wollte wegrennen, der andere Teil wollte näher an den singenden Mann heran. Die Neugier siegte. Er bemerkte mich erst, als ich neben ihm stand. Ohne sein Lied zu unterbrechen oder die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen, rutschte er zur Seite und bot mir einen Platz an.
    Er sah aus wie Elvis zu seinen besten Zeiten, der Held aus Mamas Jugend. Seine Platten standen noch immer in ihrem Zimmer. Selbst Oma konnte Elvis etwas abgewinnen, denn einmal, als Mama mir seine Musik vorspielte, hatte Lara Cohen das Cover in die Hand genommen und den King einen »verteufelt schönen Mann« genannt.
    »Ich bin Jack«, sagte der Fremde mit einem amerikanischen Akzent und reichte mir seine Hand.
    »Ich heiße Edward.«
    »Willst du?« Jack hielt mir seine Zigarettenpackung unter die Nase.
    »Ich bin noch ein Kind, und hier darf man nicht rauchen.«
    Er lachte und zündete sich eine an.
    »Bist du ganz alleine hier?«
    »Nein, meine Mutter ist bei den Pandabären.«
    »Mit deinem Vater?«
    »Nein, mit dem Professor Doktor Strombrand-Rosselang. Mein Vater ist in Schweden oder Dänemark
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