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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition)
Autoren: Kwei Quartey
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einem Schweinestall. Sie hatte einige Formulare mitgebracht, die ausgefüllt werden mussten, um den Verwaltungsprozess in Gang zu setzen, der nötig war, damit Sly die Schule besuchen konnte.
    Nach einigen Pfaden und Biegungen erreichten sie Gamels und Slys armselige Hütte. Dawson klopfte an und betete, dass sie noch da waren.
    Eine junge Frau öffnete. »Ja?«
    »Ist Gamel da?«, fragte Dawson.
    »Was Sie sagen?«
    »Gamel. Ist er hier?«
    Sie war sichtlich verwirrt. »Nein, kein Gamel hier.«
    Dawsons Hoffnung schwand rapide.
    »Und ein kleiner Junge namens Sly?«
    Sie verneinte stumm.
    Ein breitschultriger Mann in den Dreißigern hockte auf einer Kiste unweit der Hütte. »Die sind weg«, sagte er gleichgültig.
    Dawson drehte sich zu ihm um. »Wohin?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht.«
    Dawson atmete langsam aus, was sich anhörte, als würde Luft aus einem Ballon entweichen, und wandte sich zu Christine.
    »Tut mir leid, Dark«, sagte sie mitfühlend.
    »Ich hatte schon so eine komische Ahnung, dass sie weg sein könnten. Na, wenigstens habe ich’s versucht.«
    »Ja, hast du. Und das ist die Hauptsache.«
    Doch auf dem Marsch zurück dachte Dawson, dass es noch wichtiger wäre, es auch weiter zu versuchen. Ja, er würde die Suche nach Sly fortsetzen, denn etwas an dem Jungen hatte ihn berührt.

8
    In den nächsten drei Tagen ergaben sich keine weiteren Spuren. Dr. Bineys offizieller Bericht enthielt nichts, was Dawson nicht schon von der Autopsie wusste. Bis die Ergebnisse aus dem neuen DNA-Zentrum des Korle Bu Hospitals kamen, würde wegen völliger Überlastung noch ewig dauern. Viele Proben mussten immer noch zur Analyse an Labore in Südafrika oder an die University of Southern California geschickt werden – was kostspielig und zeitraubend war.
    Dawson, der über Hosiah nachgrübelte, fühlte sich, als wäre er auf dem Weg in eine depressive Verstimmung. Doch es war Freitag, und die Aussicht auf das Wochenende munterte ihn zumindest ein klein wenig auf.
    Am Samstag besuchten Dawson, Christine und Hosiah Freunde in Lartebiokorshie. Sie hatten einen Sohn im gleichen Alter, sodass Hosiah jemanden zum Spielen hatte, während die Erwachsenen sich unterhielten. Sie saßen auf der Veranda des Hauses, als Dawsons Handy läutete.
    »Ja, Wisdom?«
    »Dawson, Yves hat mir eben seine Zeichnung von dem Jungen geschickt. Sie glauben nicht, wie gut die geworden ist.«
    »Haben Sie sie mir gemailt?«
    »Ja, habe ich, und mein Boss will sie möglichst schnell in der Zeitung sehen. Wir bringen den Artikel morgen.«
    »Okay, kein Problem.« Bevor er auflegte, sagte Dawson: »Ach, und danke.«
    »Wer war das?«, fragte Christine.
    »Leider muss ich gehen«, sagte Dawson. »Wir haben etwas Neues in dem Fall.«
    »Musst du wirklich jetzt gleich weg?«
    »Ja, tut mir leid.«
    Christine sah gar nicht froh aus.
    Die E-Mail erwartete ihn auf seinem Laptop zu Hause. Den gebrauchten Computer hatte Dawson auf Raten für insgesamt 450 alte Cedis gekauft, was ziemlich günstig war.
    »Oh«, hauchte er, als er die Bilder sah. »Verblüffend.«
    Yves Kirezi hatte zwei Schwarz-Weiß-Zeichnungen angefertigt. Eine zeigte den Jungen aus der Lagune mit ernster Miene, das andere lächelnd, sodass man die Zahnlücke oben rechts sah. Die Augen des »Lagunenjungen« waren tief und lebendig, sein Gesicht offen und freundlich. Es war eines dieser Gesichter, auf das Leute gern zugingen. Wie hatte Yves das gemacht?
    Dawson schickte eine Antwort an Wisdom, in der er ihm und Kirezi dankte. Dann rief er Chikata an.
    »Wir treffen uns in zwei Stunden in Agbogbloshie.«
    Chikata verschluckte sich und bekam einen Hustenanfall. »Was?«
    »Wir haben eine Zeichnung. Ich will sie herumzeigen.«
    »Äh, Dawson, Sir, heute ?«
    »Wir haben schon eine Woche verloren. Mehr Zeit dürfen wir nicht vergeuden.«
    »Ich weiß, aber ...«
    »Bist du betrunken?«
    »Nein.«
    »Gut, dann sehe ich dich in zwei Stunden.«
    Dawson hatte bis dahin noch einige Dinge zu erledigen. Als Erstes kaufte er ein Ries vom billigsten Papier in einem kleinen Laden beim Postamt. Mit dem Laptop in der Schultertasche lief er zu »Salaga Internet«, um die Bilder ausdrucken undhundert Kopien ziehen zu lassen. Brachte man sein eigenes Papier mit, zahlte man weniger, was gut war, denn Dawson war bedenklich knapp bei Kasse. Niemand sonst im CID würde etwas von seinem sauer verdienten Gehalt für eine Ermittlung ausgeben. Entweder war Dawson ein Heiliger oder ein Idiot.
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