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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition)
Autoren: Kwei Quartey
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wachsen?«
    »Nein, das tust du nicht.«
    »Ich will nämlich so groß und stark sein wie du.«
    »Wirst du. Und bestimmt noch größer.«
    Der Junge war begeistert. » Ehrlich ?«
    »Mhm. Sind deine Ohren trocken?«
    Hosiah fühlte mit dem Finger. »Ja.«
    »Keine kleinen Kaulquappentümpel da drinnen?«
    Hosiah kicherte, als er ans Waschbecken ging und begann, sich die Zähne zu putzen. Ich will nämlich so groß und stark sein wie du. Und wenn es gar nicht so weit kam? Dawson wandte sich ab und tat, als ordnete er die Handtücher. Dabei musste er die Zähne zusammenbeißen, um seine Gefühle im Zaum zu halten.
    »Daddy?«
    »Ja, mein Großer?« Dawsons Stimme wackelte nur ein wenig.
    »Fängst du viele Bösewichte?«
    »Ich versuch’s.« Er ging zu seinem Sohn. »Vergiss die Backenzähne nicht.«
    Durch den Zahnpastaschaum blubberte Hosiah irgendetwas Unverständliches.
    »Putz erst mal fertig«, sagte Dawson.
    Als Hosiah wieder schaumfrei war, wiederholte er die Frage. »Was passiert mit den Bösen, wenn du sie fängst?«
    »Wir bringen sie ins Gefängnis, und dann kommen sie vor einen Richter, der entscheidet, ob sie wirklich böse sind und im Gefängnis bleiben müssen.«
    »Aha.«
    »Komm, Geschichtenzeit.«
    Auf dem Weg ins Kinderzimmer fragte Hosiah: »Wieso kriege ich keinen Richter, wenn ich böse bin?«
    »Du weißt doch wohl, warum. Oder?«
    »Warum?«
    Dawson schwang Hosiah auf seine Schultern, und der Junge kreischte vor Lachen.
    »Weißt du etwa nicht, warum?«
    »Nein!«, gackerte Hosiah. »Warum?«
    »Weil ich hier der Richter bin!«, donnerte Dawson bedrohlich.
    Im Kinderzimmer warf er das kichernde, glucksende Bündel aufs Bett. Während er Hosiah die Geschichte von der Spinne Ananse vorlas, zum gefühlten tausendsten Mal, kuschelte sich sein Sohn an ihn.
    »War das schön?«
    »Ja.«
    »Okay, dann Licht aus. Mammy kommt gleich zu dir.«
    Er küsste Hosiah zwei Mal.
    Später in ihrem Schlafzimmer, als Dawson und Christine sich bettfertig machten, fragte er: »Können wir morgen Nachmittag zusammen nach Agbogbloshie fahren und sehen, was wir tun können, damit Sly zur Schule kann?«
    »Klar, wenn du willst.« Sie stieg ins Bett. »Ach, nein, da fällt mir ein, dass ich Hosiah früher von der Schule abholen muss. Sie haben morgen nur einen halben Tag Unterricht.«
    »Was ist mit deiner Freundin? Kann sie ihn nicht den Nachmittag über nehmen?«
    »Nein, sie hat zu tun.« Zögern. »Allerdings könnte meine Mama auf ihn aufpassen, bis wir wiederkommen.«
    Dawson stieg ebenfalls ins Bett, sagte aber nichts.
    »Dark«, flehte sie. »Du kannst sie doch nicht ewig bestrafen.«
    Fast ein Jahr war es her, dass Dawsons Schwiegermutter Gifty seinen Sohn zu einem traditionellen Heiler geschleppthatte, der ihn von seinem Herzleiden »heilen« sollte. Sie hatte es heimlich getan, ohne vorher Dawson oder Christine etwas zu sagen. Bei dem »Reinigungsritual« des Heilers hatte Hosiah sich eine Kopfwunde zugezogen, und das verzieh Dawson seiner Schwiegermutter bis heute nicht.
    »Na, hör mal, es ist ja nicht so, als dürfte sie Hosiah nicht mehr sehen«, entgegnete Dawson.
    »Nein, aber er darf nur mit mir zusammen zu ihr. Du willst nicht, dass ich ihn mit ihr allein lasse, und du weißt, dass sie so gern mal einen Tag mit ihm verbringt. Diese Regelung bringt sie um.«
    Dawson atmete langsam aus. »Na gut«, sagte er resigniert. »Vielleicht bin ich zu hart. Du darfst Hosiah morgen Nachmittag zu ihr bringen.«
    »Dann darf sie notfalls wieder auf ihn aufpassen?«
    »Ja, meinetwegen.«
    Christine küsste ihn auf die Wange. »Danke, Schatz. Sie wird begeistert sein.«
    Wie ein Blitz kam Dawson ein Gedanke, bei dem er sich innerlich krümmte. Was, wenn meine Schwiegermutter Hosiah überlebt?
    »Was ist?«, fragte Christine ihn. »Was soll dieser Blick?«
    Er zog sie näher zu sich.
    »Dark, was ist?«
    »Edith hat heute angerufen«, sagte er.
    »Verstehe. Sie haben den Antrag abgelehnt.«
    Dawson nickte.
    Beide schwiegen eine Weile.
    »Was sollen wir tun?«, fragte Christine schließlich, und ihre Stimme klang leer.
    »Das ist nicht das Ende«, sagte Dawson. »Es gibt noch andere Möglichkeiten.«
    Christine setzte sich auf. Sie sah wütend aus. »Wir sitzen hier nicht rum und gucken zu, wie unser Sohn stirbt!« IhreStimme kippte. »Diese verfluchte Regierung, die nichts macht, außer unser Geld zu stehlen. Die denken doch hoffentlich nicht, dass wir ihn sterben lassen, bloß weil die zu nichts fähig sind?«
    Sie
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