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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition)
Autoren: Kwei Quartey
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und er lag mit seinen Einschätzungen selten falsch.
    Dawson trat etwas näher ans Wasser, das die Farbe von Teer und beinahe dieselbe Konsistenz hatte. Er rümpfte die Nase über den entsetzlichen Gestank. Die Leute in der Gegend hatten sich an ihn gewöhnt, oder vielleicht ignorierten sie ihn auch bloß.
    Bright und seine zwei Assistenten suchten in der Schlacke nach Hinweisen, obwohl sie angesichts des ganzen Mülls wenig Hoffnung hatten, irgendetwas Sachdienliches zu finden. Doch Brights unerbittliche Gründlichkeit und sein immerwährendes Streben nach Perfektion machten diese Suche unerlässlich. Andere hätten einfach die Leiche herausgefischt und sich um nichts sonst gekümmert.
    Die Leiche trieb bäuchlings auf dem Müll. Ein flüchtiger Blick, und man hätte sie für einen größeren Müllklumpen halten können, was einige Passanten auch zweifellos getan hatten.
    Schlacke blubberte und quatschte an Deputy Superintendent Brights Überschuhen, als er zu Dawson und den anderen ans Ufer stieg.
    »Morgen, Dawson.« Seine Stimme erinnerte an den tiefen Klang einer Tuba. »Verzeihen Sie meine Aufmachung und den Geruch.«
    »Guten Morgen, Sir. Meine Hochachtung, dass Sie da reingegangen sind.«
    Bright sah angewidert an sich hinab. »Das hier ist eine unserer letzten Giftmülldeponien, also hoffe ich mal, dass ich so bald nicht wieder in die Verlegenheit komme, in so was zu steigen.«
    »Schon etwas gefunden, Sir?«, fragte Dawson.
    »Außer der Leiche? Nichts. Ich gehe immer noch von Mord aus. Ich erkenne eine abgelegte Leiche, wenn ich sie sehe. Und diese hier ist in einem beklagenswerten Zustand.«
    »Wann bringen Sie sie weg?«
    »Wir sind fast so weit.«
    »Können Sie bitte kurz warten? Ich möchte nicht, dass der Junge das sieht.«
    »Kein Problem, Dawson.«
    »Danke, Sir. Ich bin froh, dass Sie hier sind.« Dawson drehte sich um und stapfte das Ufer hinauf.

2
    Der Junge hockte noch bei Police Constable Gyamfi. Gyamfi war Mitte zwanzig, sah allerdings so jung aus, dass man ihn problemlos undercover in einer Highschool hätte einsetzen können. Als Dawson auf die beiden zukam, strahlte Gyamfi, wobei er viele weiße Zähne zeigte – stark genug, um einen Kronkorken zu öffnen.
    »Morgen, Gyamfi.« Dawson schüttelte ihm die Hand. »Wie geht es dir? Schön, dich zu sehen.«
    »Ja, Sir, freut mich auch sehr.«
    »Was machen deine Frau und deine kleine Tochter?«
    »Denen geht’s bestens, Sir, danke, Sir.«
    »Ah, das freut mich.«
    Gyamfi war ein Neuzugang aus dem ländlichen Ketanu in der Voltaregion. Dank Dawsons Hilfe und Hartnäckigkeit war er zur Polizei nach Accra versetzt worden, was angesichts der Organisation des GPS kein leichtes Unterfangen gewesen war.
    Dawson sah hinab auf den Jungen, der seinen Blick nicht erwiderte. Er trug zerrissene, abgeschnittene Jeans, ein verdrecktes, schwarz weißes Muscle-Shirt, das an ihm schlackerte, und Latschen, die ihm erst recht zu groß waren. Dawson kniete sich zu ihm.
    »Hallo, ich bin Darko, wie heißt du?«
    Der Junge sah flüchtig zu ihm auf. »Sly.«
    Dawson streckte ihm die Hand hin. Sly nahm sie nach kurzem Zögern.
    »Ich danke dir für das, was du getan hast«, sagte Dawson.»Es war sehr mutig von dir, zur Polizei zu gehen, weißt du das?«
    Sly nickte zaghaft. Dawson richtete sich wieder auf, reichte dem Jungen die Hand und zog ihn nach oben. »Lass uns ein bisschen spazieren gehen.«
    »Okay.«
    »Während wir weg sind«, sagte Dawson zu Gyamfi, »möchte ich, dass du mit den Leuten hier redest. Wir müssen wissen, ob jemand heute Morgen oder letzte Nacht irgendwas gesehen hat. Und wir brauchen die Namen, falls wir später noch Fragen haben. Das könnte schwierig werden, aber du machst das schon.«
    »Ja, Sir.«
    »Und merk dir die Gesichter, Gyamfi. Deine Augen müssen wie eine Kamera sein. Man weiß nie, wen man später wiedertrifft.«
    Dawson wandte sich mit Sly ab und dirigierte ihn um die Schaulustigen herum. Als er mit dem Jungen hinter ihnen vorbeiging, drehten sich alle zu ihnen um. Dawson sah sich kurz die Gesichter an und tat, was er soeben seinem Constable empfohlen hatte. Tatsächlich bestand so gut wie keine Chance, etwas Brauchbares von diesen Leuten zu erfahren, denn für sie war es zwar in Ordnung, den Polizisten bei der Arbeit zuzugucken, aber geredet wurde nicht mit ihnen.
    Dawson und Sly erreichten die Biegung am Ostufer des Odaw River, von wo aus man in der Ferne die Slumhütten sah.
    »Wie alt bist du, Sly?«
    »Neun.«
    »Kommst
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