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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition)
Autoren: Kwei Quartey
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zwischen den sich stauenden Wagen umherliefen und den Fahrern Bananenchips, Äpfel, Landkarten, DVDs, Bücher, Werkzeug oder Gürtel anzudrehen versuchten. Einer bot sogar drei völlig verängstigte Welpen an. Dawson kaufte einem der Händler einen Beutel eisgekühltes Wasser ab – ebenjene Verpackung, die tausendfach die Korle-Lagune verstopfte.
    Dawsons Handy klingelte, und auf dem Display erschien DARAMANI. Er zögerte. Daramani, der aus dem dürregeplagten Norden Ghanas stammte, war ein kleiner Dieb und Marihuana-Dealer, den Dawson vor Jahren verhaftet hatte. Allerdings hatte Daramani inzwischen den Absprung geschafft, arbeitete und hatte das Klauen drangegeben.
    Bei der ersten Hausdurchsuchung, die Dawson in Daramanis Wohnung in Nima durchgeführt hatte, fand er verstecktes Marihuana von außergewöhnlich guter Qualität. In Ghana waren sowohl der Besitz als auch der Konsum von Marihuana strafbar. Leider war die Droge zufällig auch Dawsons Achillesferse. Er mochte keinen Alkohol, aber dem Wee konnte ernur schwer widerstehen. Entsprechend war Dawson in Daramanis Hütte so etwas wie der Brandstifter auf dem Pulverfass oder der Pädophile im Kindergarten gewesen. Er tat, was er niemals hätte tun dürfen, und nahm sich etwas von dem Marihuana.
    Nachdem Daramani seine Zeit abgesessen hatte, war er eine Weile lang eine Art Informant gewesen. Das war der offizielle Grund, weshalb Dawson mit ihm in Kontakt blieb; der eigentliche aber war das Marihuana.
    »Hallo, Daramani«, meldete sich Dawson.
    »Ei, Dawson, wieso kommst du nicht mehr vorbei?«
    »Du weißt, warum.«
    »Wegen dem Wee?«
    »Ja. Ich will das Zeug nicht riechen oder auch bloß in seine Nähe kommen.«
    » Ao , Dawson, mein Bruder«, sagte Daramani bedauernd. »Nichts mehr, nein?«
    »Nein, nichts mehr. Ich hab aufgehört.«
    »Aha. Okay, wie geht’s dir?«
    »Gut.«
    »Und was machen deine Frau und dein Junge?«
    »Denen geht es auch gut. Hast du noch deinen Job in Maamobi?«
    »Klar, Mann, aber ist echt hart heute, das Leben in Ghana.«
    »Ich weiß. Bleib trotzdem sauber, okay?«
    »Ja klar, Mann, klar.«
    Sie verabschiedeten sich, und Dawson steckte sein Handy wieder ein. Auf eine eigentümliche Weise mochte er Daramani, obgleich der Mann und sein Marihuana einen Teil seines Lebens verkörperten, von dem weder bei der Arbeit noch zu Hause jemand wissen durfte. Und genau diesen Teil wollte Dawson hinter sich lassen. Seit fünf Monaten. Immer noch clean. Immer noch rückfallgefährdet.
    Das Ghana Customs, Excise and Preventive Service Building, kurz die Zollbehörde, war ein guter Treffpunkt. Inmitten der beigefarbenen und braunen Gebäude von Jamestown war der himmelblaue Bau mit dem roten Dach kaum zu übersehen. Das rostige Postgebäude wenige Meter weiter wirkte dagegen wie ein trauriges, vernachlässigtes Kind.
    Wisdom verspätete sich. Dawson schickte das Taxi weg und wartete im Schatten der überdachten Veranda vor der Zollbehörde auf den Reporter. Als Wisdom kam, parkte er den Graphic -Wagen halb auf dem Gehweg und sprang heraus.
    »Inspector, εte sεn ?«, begrüßte er Dawson auf Twi, als sie einander die Hände schüttelten.
    » εyε . Und Ihnen?«
    Wisdom hatte einen der größten Köpfe, die Dawson jemals gesehen hatte, und seine Augen lagen weit auseinander. Sein Verstand brauchte wohl viel Platz, wie Dawson annahm.
    »Also, haben Sie was für mich?«, fragte der Zeitungsmann.
    Dawson reichte ihm einen Umschlag. Wisdom lugte hinein, als könnte ihn irgendetwas anspringen, ehe er die Kopien aus dem Autopsiebericht herauszog.
    » Ei! «, rief er aus und verzog das Gesicht. »Mein Gott, das ist heftig.«
    »Ich hoffe, Ihr Yves kann sich bald an die Arbeit machen.«
    »Wird er. Vertrauen Sie mir, der Mann ist gut.«
    »Danke für die Hilfe, Wisdom. Ich muss jetzt nach Agbogbloshie. Können Sie mich ein Stück mitnehmen?«
    »Aber natürlich, Inspector.«
    Als er mit Christine zusammen durch Agbogbloshie ging, konnte Dawson nicht umhin, an seiner Idee zu zweifeln. Es war nicht bloß der Schlamm, denn nach dem Unwetter vom Vortag waren die nur im Ansatz vorhandenen Abwassergräben endgültig übergelaufen und hatten alles mit Müll und Exkrementen geflutet.
    »Weißt du den Weg noch?« Christine wich einer Pfütze aus.
    »Ja.«
    »Wie beruhigend, denn ich habe keinen Schimmer mehr, wo wir sind und wie wir hier wieder rauskommen.«
    Lächelnd sah Dawson sie an. Hier in Sodom und Gomorrha wirkte seine Frau wie ein strahlender Diamant in
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