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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition)
Autoren: Kwei Quartey
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Seine Kollegen hätten sicherlich auf Letzteres getippt.
    Haben Sie jemanden gesehen oder kennen Sie jemanden, der so aussieht?
    Dies war Dawsons und Chikatas Standardfrage, während sie die Blätter verteilten. Sie hatten sich aufgeteilt: Chikata übernahm den Agbogbloshie-Markt östlich der Abossey Okai Road, wo er sich vor allem an die Marktfrauen wandte, denen gewöhnlich nichts entging, und Dawson lief den Slum westlich der Straße ab.
    Er stieß auf eine Gruppe von Jungen, die an einem geschlossenen Kiosk vor einer großen Pfütze hockten. Die Jungen musterten ihn misstrauisch, als Dawson auf sie zukam. Der Größte von ihnen stand auf. Dawson stellte sich vor und schüttelte ihm die Hand. Der Junge hieß Abdel, ein Name, der im Norden häufig vorkam. Wahrscheinlich war seine Muttersprache Hausa.
    »Sprichst du Twi?«, fragte Dawson ihn hoffnungsvoll.
    »Ja.«
    Dawson reichte ihm ein Flugblatt. »Kennst du diesen Jungen?«
    Seine Freunde scharten sich um ihn und sahen auf das Blatt. Dabei lehnten sie sich mit der lässigen Vertrautheit guter Kumpel aneinander. Es folgte eine lebhafte Diskussion in Hausa, von der Dawson nur Brocken verstand.
    »Den kennen wir nicht«, sagte Abdel schließlich.
    »Aber, Abdel, mein Freund, ich habe gehört, dass einige von euch sagten, sie hätten ihn schon mal gesehen.«
    Abdel war überrascht. »Sie können unsere Sprache?«, fragte er auf Hausa.
    »Ein kleines bisschen«, antwortete Dawson.
    Die Jungen lächelten anerkennend, weil er sich bemühte, ihre Sprache zu sprechen.
    »Warum suchen Sie ihn?«, fragte Abdel, nun wieder auf Twi.
    »Ich suche ihn nicht. Er ist tot, und ich möchte herausfinden, wer er ist.«
    Abdel übersetzte für seine Freunde, die sofort nervös wurden und die Blicke senkten. Einer von ihnen murmelte etwas von »Polizei«. Sie trauten Dawson nicht recht, und selbst wenn einer oder mehrere von ihnen den Lagunenjungen erkannt hätten, hätte ihr Gefühl ihnen gesagt, dass sie sich damit nur Ärger einhandelten.
    »Okay«, sagte Dawson betont unbekümmert und reichte ihnen mehr Flugblätter. »Bitte fragt auch eure Freunde und eure Familien, ob jemand diesen Jungen kennt. Und falls ihr etwas hört, ruft bitte die Nummer unten auf dem Blatt an.«
    Dann dankte er ihnen. » Nagode .«
    Als er wegging, ahnte Dawson, dass ihn von diesen Jungen garantiert keiner anrufen würde. Also konnte er nur hoffen, dass Chikata mehr Glück hatte.

9

    Chikata hatte nicht mehr Glück. Die Leute verhielten sich entweder ausweichend oder schlicht desinteressiert. Er und Dawson ließen es für den Tag gut sein.
    Am Montagmorgen schöpfte Dawson ein wenig Hoffnung, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickelten. Die Bilder des Lagunenjungen würden in den Abendnachrichten im Fernsehen gezeigt, und Dawson sorgte dafür, dass sie in sämtlichen Wartebereichen des CID neben den anderen Fahndungs- und Vermisstenbildern aufgehängt wurden.
    Am Abend zuvor hatte er Wisdoms gut geschriebenen Artikel im Sunday Graphic gelesen: TOD IN DER LAGUNE: MUSSTE ES SO WEIT KOMMEN? Wisdom hatte den gewaltsamen Tod des Jungen zum Aufhänger für eine soziologische Auseinandersetzung mit der Korle-Lagune und den angrenzenden Gebieten genommen.
    Am Dienstag war Dawson so weit, dass er um irgendeine Spur betete – egal, was für eine. Am Mittwoch ermahnte er sich, realistisch zu sein. Die Dinge geschahen nie so schnell, wie man es sich wünschte. Es könnten Monate vergehen, ehe sie brauchbare Hinweise bekamen. Oder der Fall würde über Jahre nicht gelöst. Und die Akten- und Papierstapel auf seinem Schreibtisch verrieten, dass es nicht der erste wäre.
    Nach dem Mittagessen am Mittwoch sah es so aus, als würde dies ein weiterer Tag ohne Neuigkeiten werden, da kam Constable Simon aus dem ersten Stock zu Dawson.
    »Massa, können Sie bitte kommen? Wir haben unten ein Problem.«
    »Was ist?«, fragte Dawson, der schon aufstand.
    »Da ist ein Mädchen gekommen und hat nach Ihnen gefragt«, erklärte Simon. »Aber mit ihr stimmt was nicht. Sie wollte warten, und plötzlich ist sie zusammengebrochen und fing an zu weinen.«
    Chikata erhob sich ebenfalls. Er und Dawson folgten Simon die schmale Treppe hinunter zum Empfang im ersten Stock. Es war ein relativ offener Bereich, der die drei Flügel des sandfarbenen Gebäudes miteinander verband. Die beiden Mitarbeiter vom Empfang sowie eine wachsende Menge von Leuten standen um das hagere Mädchen herum, das schluchzend auf dem Boden lag.
    Neben
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