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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker
Autoren: Lawrence Block
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warst wirklich ziemlich irritiert. Du hast den Stoff nicht gefunden. Das hat dich total durcheinandergebracht.«
    Ich hielt inne und schüttelte den Kopf. Es hörte sich irgendwie anders an, wenn ich es laut aussprach und mir nicht nur im Kopf zusammenreimte. Alles passte perfekt zueinander. Falls ich noch Zweifel gehabt hatte, waren sie jetzt ausgeräumt. Die Geschichte fügte sich nahtlos zusammen.
    »Hättest du den Stoff in meinem Zimmer gefunden, wärst du damit wahrscheinlich auf und davon gewesen. Gott weiß, was du damit getan hättest. Vielleicht hättest du versucht, auf eigene Faust ein Geschäft damit zu machen, oder es an Keith zurückverkauft oder so etwas. Gott weiß. Aber du hast gemerkt, dass du es nicht so einfach zurückbekommst. Und dann hast du ernsthaft Pläne geschmiedet. Vielleicht könntest du mich dazu benutzen, Keith für dich umzubringen. Das war doch eine gute Idee, nicht wahr?
    Und du hast es perfekt inszeniert, hast mich selbst auf den Gedanken kommen lassen und mich in dem Glauben bestärkt, es wäre von Anfang an meine Idee gewesen. Du hattest genug von ihm. Er ist dir auf die Nerven gegangen, und du wolltest raus aus dieser Ehe. Aber du wolltest auch das Geld, und vielleicht konnte ich es dir verschaffen. Du hast die Sache kaltblütig durchgezogen, Mona. Du warst perfekt.«
    »So war es nicht, Joe …«
    »Doch, zum Teufel, genau so war es. So einfach. So verdammt einfach, dass ich keine Sekunde gezweifelt habe. Du warst eine wunderbare Schauspielerin. Sogar im Bett. Hast so getan, als wärst du verliebt in mich. Du warst perfekt, und ich bin voll drauf reingefallen.«
    Ihr Gesichtsausdruck war seltsam. Sehr traurig, bedrückt. Ich blickte ihr in die Augen und versuchte, sie zu ergründen. Doch ihre Augen verrieten nichts.
    Also gab ich auf. Ich saß da und sah sie an, und sie sah mich an. Ich rauchte noch eine Zigarette. Als sie schließlich zu reden anfing, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Sie spielte kein Theater mehr. Ich wusste, dass sie mir jetzt die Wahrheit sagte, weil sie keinen Grund mehr hatte zu lügen. Das wusste ich, das begriff ich. Deshalb konnte sie mich nicht mehr anlügen. Die Lügen würden nur auf sie zurückfallen.
    Sie sagte: »Es ist noch mehr, Joe.«
    »Ja?«
    Ein langsames Nicken.
    »Dann sag es mir. Ich bin ein guter Zuhörer.«
    »Du glaubst wahrscheinlich, dass es mir nur um das Geld ging«, sagte sie. »Das stimmt nicht. Ach, am Anfang war das Geld das Wichtigste, das gebe ich zu. Aber dann … dann waren wir zusammen, und es war … mehr … als nur das Geld. Es ging um uns beide. Ich dachte darüber nach, wie es sein würde, wenn du und ich zusammen wären. Ich dachte darüber nach und …«
    Sie hielt inne. Die Stille in dem Hotelzimmer war körperlich fühlbar. Ich zog an meiner Zigarette.
    »Aber irgendwann ist es dir dann doch wieder nur um das Geld gegangen. Weil du mich nicht mehr gebraucht hast.«
    »Vielleicht.«
    »Was sonst?«
    Sie überlegte einen Augenblick, ehe sie antwortete. »Weil du ihn getötet hast«, sagte sie.
    »Wie bitte?«
    »Du hast ihn getötet«, sagte sie. »Sicher, wir waren beide schuldig. Juristisch gesehen, meine ich. Das weiß ich. Aber … in mir, wenn ich daran dachte, dann warst du derjenige, der ihn umgebracht hat. Und wenn ich zu dir ging, dann war ich an dem Mord beteiligt. Aber wenn ich alleine blieb, dann war es etwas anderes. Ich konnte so tun, als wäre er einfach … gestorben. Als hätte ihn jemand getötet, aber ich hatte nichts zu tun damit.«
    »Hat das funktioniert?«
    Sie seufzte. »Vielleicht. Ich weiß nicht. Eine Weile lang. Dann dachte ich an dich und ich wusste, dass du in Miami auf mich wartest und dich fragst, was schiefgelaufen ist. Und ich dachte, dass dir etwas zustand für den … für das, was du getan hast. Deshalb habe ich dir das Geld geschickt. Die dreitausend Dollar.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du ein Gewissen hast.«
    Sie brachte ein Lächeln zustande. »So ein schlechter Mensch bin ich nicht.«
    »Nein?«
    »Nicht so schlecht. Schlecht, aber nicht verkommen. Nicht wirklich.«
    Sie hatte recht. Und mir wurde klar, dass ich das schon die ganze Zeit gewusst hatte. Ein eigenartiges Gefühl.
    »Was nun, Joe?«
    Ihre Worte brachen das Schweigen. Ich wusste, was jetzt kam, aber ich scheute mich davor, es ihr zu sagen. Ich wollte den Augenblick ausdehnen, bis er so lang wie eine halbe Ewigkeit war. Ich wollte nicht, dass dieses Was nun ? jetzt schon kam. Wir waren beide noch
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