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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker
Autoren: Lawrence Block
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die Pagen und genau zwanzig Prozent für die Kellnerinnen. Das ging ins Geld, aber das war es wert. Für mich hatte es sich immer gelohnt.
    Ich zog mich aus und duschte. Zuerst ließ ich den heißen Strahl über mich laufen, dann drehte ich die Dusche eiskalt. Ich dusche gern. Beim Duschen fühle ich mich wie ein Mensch.
    Während ich mich abfrottierte, sah ich mich im Spiegel an. Es stimmte noch alles – durchtrainierter Körper, kräftige Schultern, sonnengebräunter Teint, schmale Hüften, Muskeln. Ich sah gepflegt und wohlhabend aus. Mein Gepäck war aus erstklassigem Rindsleder, und meine Schuhe waren teuer. Genau wie meine Anzüge.
    Ich würde sie vermissen.
    Ich zog mich schnell an, und zwar alles, was ich am Leib tragen konnte. Unter dem Anzug trug ich meine karierte Badehose und unter dem Seidenhemd ein wollenes. Zwei Paar Kaschmirsocken steckte ich in die Schuhe. Ich band mir meine beste Krawatte um und schob die zweitbeste in die Tasche. Meine vier Krawattenspangen steckte ich mir an; unter der Jacke sah man sie nicht.
    Noch mehr Klamotten, und ich hätte ausgesehen wie ein Kartoffelsack. Und das wollte ich unbedingt vermeiden. Ich steckte das Portemonnaie ein, hinterließ noch etwas mehr Durcheinander in meinem Zimmer, als vorher schon geherrscht hatte, und drückte nach dem Lift.
    Der Empfangschef hatte meine Rechnung fertig, als ich wieder in die Halle kam. Sie war ziemlich hoch. Alles in allem belief sie sich auf beachtliche sechshundertsiebzehn Dollar und dreiundvierzig Cent; sogar noch etwas mehr, als ich angenommen hatte. Ich lächelte, dankte dem Empfangschef und ging hinaus, wobei ich mir Gedanken über die Rechnung machte.
    Sie war selbstverständlich auf David Gavilan ausgestellt.
    Und selbstverständlich heiße ich nicht David Gavilan.
     
    Ich brauchte zwei Dinge: Geld und eine neue Stadt, in der ich es ausgeben konnte. Philadelphia war ganz nett gewesen, aber irgendwie hatte es hier nicht geklappt. Ich hatte eine Woche gebraucht, um den richtigen Dreh rauszukriegen, noch mal eine, um damit anzufangen, und die dritte Woche, um festzustellen, dass alles von Anfang an ein Fehler gewesen war.
    Ein Mädchen spielte dabei natürlich auch eine Rolle. Das ist immer so.
    Sie hieß Linda Jamison, und sie roch nach Geld. Sie hatte kurzes schwarzes Haar, wilde Augen und einen hübschen Busen. Ihre Ausdrucksweise ließ auf eine teure Erziehung für höhere Töchter schließen. Sie sah gut aus, kleidete sich ebenso und konnte reden. Ich nahm an, dass sie aus einer der großen, reichen Familien stammte, oder zumindest aus deren näherem Umfeld.
    Aber sie kam aus keiner reichen Familie. Sie trieb sich selbst nur herum.
    Ich gabelte sie in einer guten Bar in der Sansom Street auf, wo die obere Gesellschaft verkehrt. Wir tranken ein paar Gibsons miteinander, aßen zusammen zu Abend und sahen uns zusammen einen Film an. Dabei benutzten wir immer ihren Wagen, ein ziemlich teures Modell.
    Alles sah prächtig aus.
    Ich verabredete mich drei Tage hintereinander mit ihr, ehe ich sie zum ersten Mal küsste. Ich bereitete alles sorgfältig vor, ließ die Sache ganz langsam angehen. Mit achtundzwanzig bin ich zu alt, um noch herumzuspielen. Wenn ich einen Treffer landete, dann musste es ein richtiger Hauptgewinn sein. Vielleicht würde ich sie sogar heiraten. Warum auch nicht, zum Teufel? Sie sah nicht schlecht aus, und so wie sie sich bewegte, machte es vielleicht sogar im Bett Spaß mit ihr. Außerdem roch sie nach Geld. Ich stehe auf Geld. Man kann sich so schöne Dinge damit kaufen.
    Also küsste ich sie beim vierten Rendezvous und beim fünften ein wenig mehr und beim sechsten zog ich ihr den verdammten Büstenhalter aus und spielte ein wenig mit ihren Brüsten. Es waren nette Brüste. Fest, süß, groß. Ich streichelte und liebkoste sie, und das schien ihr ebenso zu gefallen wie mir.
    Zwischen dem sechsten und siebten Rendezvous setzte ich endlich meinen Kopf ein, der mir die ganze Zeit nur als Huthalter gedient hatte. Für schlappe zehn Dollar ließ ich ihren Hintergrund von Dun & Bradstreet überprüfen und musste feststellen, dass ihre Nummer vom Mädchen aus reicher Familie so unglaubwürdig war wie eine eckige Weintraube. Sie war auf der Suche nach einem betuchten Bräutigam, und das dämliche kleine Ding verschwendete seine Zeit mit mir, während ich neunmalkluger Idiot meine Zeit und mein Geld damit verschwendete, sie anzubaggern. Eigentlich wäre es lustig gewesen, nur stand mir im Moment nicht der Sinn
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