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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker
Autoren: Lawrence Block
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    Die Hotelhalle war klimatisiert, und in dem Teppich versank man geräuschlos und weich, ohne eine Spur zu hinterlassen. Die Hotelboys eilten schweigend durch die Halle, wobei sie den Eindruck behutsamer Tüchtigkeit verbreiteten. Die Lifts fuhren leise und stoppten leise, und die hübschen Mädchen, die darin standen und die Knöpfe bedienten, kauten nicht einmal Kaugummi – allenfalls wenn sie abends ihre Arbeit beendet hatten. Die Decken waren hoch, und die Kronleuchter, die an ihnen hingen, waren prunkvoll.
    Die Stimme des Empfangschefs war tief und leise. Er tat so, als wollte er mit jedem Wort um Entschuldigung bitten. Aber das änderte nichts an dem, was er zu sagen hatte. Er wollte das, was solche Kerle in jeder stinkenden Kneipe von Hackensack bis Hongkong wollen: Geld.
    »Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie belästigen muss, Mr. Gavilan«, sagte er. »Aber es ist hier im Hotel üblich, von den Gästen alle zwei Wochen eine Begleichung der Rechnung zu verlangen. Und da Sie bereits etwas länger als drei Wochen hier sind …«
    Den Rest des Satzes sprach er nicht aus, sondern ließ die Worte vielsagend in der Luft hängen. Er lächelte und hob dabei die Hände, als wollte er mir zeigen, dass es ihm eigentlich peinlich war, über Geld reden zu müssen. Es war ihm angenehm, welches zu bekommen, aber reden mochte er nicht darüber.
    Ich erwiderte sein Lächeln. »Hätten Sie mir das doch eher gesagt«, antwortete ich. »Die Zeit vergeht wie im Fluge, man kommt gar nicht mehr richtig mit. Hören Sie, ich gehe jetzt sofort auf mein Zimmer und zieh mich um. Machen Sie die Rechnung fertig, bis ich wieder herunterkomme. Ich muss ohnehin zur Bank. Da schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, hebe für mich Geld ab und bezahle meine Rechnung.«
    Sein Lächeln war noch breiter als meines. »Wir akzeptieren selbstverständlich auch einen Scheck, Mr. Gavilan. Das heißt …«
    »Das hätte keinen Sinn«, sagte ich. »Mein Konto ist bei einer Bank in Denver. Es würde Wochen dauern, bis der Scheck ausbezahlt wird. Aber ich habe einen Wechsel auf eine Bank hier in der Stadt. Lassen Sie nur die Rechnung fertig machen, bis ich herunterkomme, dann zahl ich heute Nachmittag in bar. Einverstanden?«
    Natürlich war er einverstanden. Ich ging zum Lift und betrat ihn, ohne mein Stockwerk anzugeben. Wenn man im Benjamin Franklin ein oder zwei Tage wohnt, merken sich die Liftboys, in welcher Etage man untergebracht ist.
    Ich stieg im siebten Stockwerk aus und ging in mein Zimmer. Das Zimmermädchen hatte noch nicht aufgeräumt, und es sah noch genauso unordentlich aus wie vorher, als ich zum Frühstück hinuntergegangen war. Ich setzte mich ein paar Minuten auf das ungemachte Bett und überlegte, was mich mein dreiwöchiger Aufenthalt im besten Hotel von Philadelphia wohl kosten würde. Einen Batzen Geld jedenfalls, ganz gleich, wie ich auch rechnete. Sicher mehr als zehn Dollar am Tag. Und dann hatte ich auch drei Wochen lang im Restaurant die Rechnungen nur abgezeichnet, und genauso hatte ich es mit dem Zimmerservice gemacht, wenn ich mir Whiskey heraufschicken ließ. Ebenso mit der Wäscherei und der chemischen Reinigung und all den anderen Diensten, die Philadelphias führendes Hotel anzubieten hatte. Eine imposante Summe.
    Vielleicht fünfhundert Dollar. Vielleicht weniger, vielleicht mehr.
    Eine wirklich verdammt imposante Summe.
    Ich zog meine Geldbörse aus der Hosentasche und zählte mein Geld. Etwas mehr als hundert Dollar. Und natürlich besaß ich keinen Wechsel auf eine Bank in Philadelphia, auch kein Konto bei einer Bank in Denver. Keine Aktien. Keine Wertpapiere. Gar nichts. Ich hatte an die einhundert Dollar, das war’s.
    Ich zündete mir eine Zigarette an. Immerhin hatten sie mich beinahe einen Monat lang durchgefüttert, ohne dass das Wort Geld auch nur einmal erwähnt worden wäre. Die meisten schnappten sie schon früher. Zum Glück war ich vorsichtig und hatte alles cool wie ein Profi durchgezogen. Ich wirkte nicht wie ein Hungerleider. Das war wichtig.
    Trinkgelder zum Beispiel gab ich immer in bar, und zwar aus zwei Gründen. Ich hielt nichts davon, Pagen und Kellnerinnen, die wahrscheinlich genauso blank wie ich waren, um ihr Trinkgeld zu bescheißen. Und dann zieht man unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich, wenn man Trinkgelder auf die Rechnung setzen lässt und sie dann nur abzeichnet. Dann haben einen alle genau im Visier.
    Also gab ich Trinkgeld bar und immer großzügig; einen Dollar für
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