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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig
Autoren: Vanessa Dungs
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wieder aus, aber es verfehlte Lesley glücklicherweise, wenn auch nur um Haaresbreite.
    Peter schaute von oben auf uns herab. „Wie rührselig. Du hättest sie einfach loslassen können.“ Er sprang zu uns nach unten und schnaubte verächtlich.
    Mein Körper war plötzlich wie erstarrt, ich besaß keine Kraft mehr, um überhaupt zu reagieren. Meine Augen starrten leer an die Decke. Ich fühlte jedoch, wie sich Liz langsam auf mir bewegte.
    Sie war am Leben! Das war alles, was zählte.
    „ Ich werde euch diesen letzten Moment schenken, schließlich bin ich kein Unmensch“, es klang mehr als sarkastisch. Peter trat in mein Blickfeld. „Du wirst wieder zu Kräften kommen Nicholas, du bist doch zäher als ich.“ Ich sah, wie er grinste. Es waren meine Worte gewesen, die ich ihm damals vor der alten Lagerhalle gesagt hatte, bevor ich gegangen war.
    Peter wandte sich ab und seine leisen Schritte verhallten in Sekundenbruchteilen. Und dann war er auch schon verschwunden.
    Ich hörte draußen Motorengeräusche, die rasch in der Ferne verhallten. Ich wusste, dass Lesley und ich wieder allein waren. Würde es tatsächlich so zu Ende gehen?
    „ Nicholas?“ Ich hörte ihre entsetzte Stimme. „Oh Gott, nein!“ Sie schien sich aufzurichten, mühsam, ich fühlte ihr Leid. Ihre zitternden Finger berührten vorsichtig mein Gesicht. „Bitte nicht. Wach auf. Bitte!“
    Ich konnte sie spüren, aber mein Körper zeigte keinerlei Regung. Mein Innerstes brannte lichterloh, denn die Säure bahnte sich unaufhaltsam ihren Weg durch meine Adern. Es würde nicht mehr sehr lange dauern.
    Blut! Meine innere Stimme schrie mich an. Blut würde diesen Vorgang aufhalten können, aber woher sollte ich es nehmen…?
    Nein! Ich mahnte mein Gewissen an. Niemals!
    „ Nicholas?“ Meine Schultern wurden sanft gerüttelt. „Bitte, sag mir was ich tun soll.“ Jetzt klang es wie ein Schluchzen. „Bitte…“
    Ich sah bereits die Dunkelheit, wie sie sich langsam an mich heranschlich. Ein Gewand aus Finsternis würde mich wieder einhüllen, aber dieses Mal konnte mich nichts mehr daraus befreien. Ich wollte Liz sagen, wie sehr ich sie liebte. Wie sehr ich sie behüten wollte. Wie sehr ich versagt hatte. Meine Lippen blieben starr, wie der Rest meines Körpers. Meine Augen waren zwar offen, aber sie nahmen nicht mehr viel war. Seelenlos starrten sie nach oben. Die schwarzen Schatten legten sich beruhigend um mich, sie verschleierten meinen Blick und bedeckten meine steifen Glieder. Dunkelheit breitete sich vollends aus und legte sich um mich, wie ein schützender Mantel. Es war an der Zeit und ich hatte immer geglaubt, dass mir der Abschied nicht schwer fallen würde, wenn es einmal soweit war. Doch es war anders. Ich ließ meinen Engel im Stich, und das war das Einzige, was mich in jenem Augenblick beschäftigte. Ich konnte jedoch nichts mehr dagegen tun. Ich hatte versagt.
    Der glühende Schmerz schien abrupt zu enden. Stille hatte sich schlagartig um mich herum aufgetan. Ich erwartete jetzt nur noch die unbarmherzige Kälte…
    Wärme benetzte unerwartet meine Lippen. Sie füllte meinen Mund und meine Kehle. Süß und unbeschreiblich, wie Balsam der sich lindernd in meinem Innern ausbreitete. Mein Körper bewegte sich plötzlich wieder, er suchte nach mehr von diesem heilenden Elixier. Ich streckte mich dieser wundersamen Flüssigkeit entgegen.
    Mehr, lechzte meine innere Stimme. Ich wollte mehr! Und ich bekam mehr.
    Meine Hände suchten nach Halt, sie wollten den Ursprung des Trosts nicht mehr loslassen. Die undurchdringlichen Schatten lichteten sich wieder und der Nebel begann sich langsam aufzulösen.
    Und plötzlich sickerte die unheilbringende Erkenntnis in mein Bewusstsein.
    Ich starrte auf die Quelle meiner vermeintlichen Glückseeligkeit. Es war ein Engel!
    Es war mein Engel...

26. Ein hoher Preis

    Ruckartig ließ ich von Lesleys blutendem Handgelenk ab. Ich wich zurück, ohne daran zu denken, dass die Klinge noch in meinem Oberkörper stecken musste. Aber sie war bereits fort. Nur die klaffende Wunde in meiner Brust war zurück geblieben. Das Kodachi lag neben Liz auf dem Boden und ich konnte riechen, dass nicht nur mein Blut daran klebte. „Was hast du getan?“ Es war nur ein erschütterndes Flüstern, das über meine besudelten Lippen kroch.
    Sie sah mich liebevoll an. „Du hast mir einmal gesagt, dass dein Körper sich durch Blut regeneriert.“ Ihre Atmung wurde flacher.
    „ Engel…“, ich lehnte mich zu ihr.
    „ Ich habe
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