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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig
Autoren: Vanessa Dungs
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verständnisvoll. „Das macht nichts. Man wird sich um ihre Freundin kümmern.“ Sie zeigte in die Richtung des Empfangs. „Wir müssten uns nur um ein paar Formalitäten kümmern.“
    „ Natürlich.“ Ich folgte der Schwester zum Tresen.
    Als ich die persönlichen Daten vervollständigen sollte, zögerte ich allerdings. Ob ich jemanden von Lesleys Familie informieren sollte…?

    Lesley wirkte in diesem großen Bett noch kleiner als sonst. Sie war so blass. Ihr Körper war sehr geschwächt, nur weil sie mir geholfen hatte. Zu welchem Preis? Ob sie wieder zu Kräften kommen würde? Ich wollte sie nicht hier lassen, aber ich konnte ihr unmöglich noch mehr abverlangen.
    „ Alles in Ordnung mit ihnen?“ Die freundliche Stimme der Krankenschwester riss mich aus meinen Überlegungen.
    Ich sah sie an und zwang mich zu einem Lächeln. „Nein, ich mache mir Sorgen um sie.“ Ich hatte ein wenig tricksen müssen, denn normalerweise durften nur Angehörige auch über Nacht bleiben. Da ich aber momentan der Einzige war, der hier war, machten sie eine Ausnahme.
    „ Kopf hoch, es wird schon wieder.“ Es war ein kläglicher Versuch, um mich aufzumuntern, ich nahm es ihr jedoch nicht übel. Sie wollte bloß nett sein. Außerdem wusste sie nicht, dass ich bereits Bescheid wusste. Lesley Ashton würde sterben, soviel war sicher. Die Frage war nur, ob ich sie zu meinesgleichen machen durfte, damit sie zu mir zurückkehren konnte.
    Die Schwester ging zur Zimmertür. „Die Nachtschwester wird nachher noch einmal nach ihr sehen.“
    „ Haben sie vielen Dank.“
    Sie drückte die Klinke herunter, aber bevor sie hinaustrat, blickte sie mich noch einmal kurz an. „Miss Ashton wird bestimmt bis morgen durchschlafen. Sie können gerne nach Hause gehen und morgen Früh wiederkommen. Oder wir rufen sie an, falls sie vorher aufwacht.“
    Ich schüttelte den Kopf. „Danke, aber ich werde ohnehin kein Auge zumachen, da kann ich genauso gut hier bleiben.“
    Sie nickte lächelnd und schloss auch schon die Tür hinter sich zu. Ihre Schritte verhallten auf dem lang gezogenen Flur.
    Ich rutschte wieder näher an Lesleys Bett heran – ich hatte der Krankenschwester zuvor Platz gemacht, damit sie ungehindert an die unzähligen Schläuche und Geräte heran kommen konnte – und meine kalten Finger suchten nach ihrer steifen Hand. Behutsam hielt ich sie umklammert.
    Die nächsten drei Stunden vergingen überhaupt nicht. Ich lauschte die ganze Zeit über auf Lizs gleichmäßige Atmung und das half mir, mich zumindest ein wenig zu entspannen. Ich hoffte, dass sie aufwachen würde, bevor die Sonne aufging. Obwohl ich eigentlich den ganzen Tag über bei ihr bleiben wollte.
    Gegen drei Uhr veränderte sich dann plötzlich der Rhythmus ihres Brustkorbs; er hob und senkte sich jetzt etwas schneller als vorher. Sie war dabei aufzuwachen. Ihre Lider zitterten für einen kurzen Moment, bis sie sich leicht öffneten. Ihr Blick war auf das Fußende des Bettes gerichtet. „Nicholas?“ Es war mehr ein Krächzen, das aus ihrer Kehle kam.
    „ Ich bin hier, mein Engel.“ Zärtlich streichelte ich über ihren Handrücken.
    Ihr Kopf neigte sich zur Seite. Ihre Augen begannen zu leuchten, als sie mich ansah. „Wie geht’s dir?“ Ihr Mund schien vollkommen ausgetrocknet zu sein.
    „ Wie es mir geht?“ Ich runzelte meine Stirn. „Engel, du hast viel Blut verloren und fragst mich, wie es mir geht?“ Ich schüttelte irritiert den Kopf. „Du bist unmöglich. Ich bin wieder so gut wie neu. Ich sagte dir doch, dass du dich um mich nicht sorgen musst.“
    Ein leichtes Lächeln erschien auf ihren bleichen Lippen. „Das habe ich gesehen.“
    Ich musste ein wenig grinsen. „Gut, du hast mich vor Qualen bewahrt, die ich dir nicht genauer beschreiben möchte. Das hättest du trotzdem nicht tun dürfen.“ Meine Besorgnis kehrte augenblicklich zurück. „Ich könnte mir nie verzeihen, wenn du…“ Ich brach ab, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte.
    „ Nicht.“ Sie schluckte schwerfällig. „Reden wir nicht darüber. Wir haben wohl unterschiedliche Auffassungen…“ Liz zögerte. „Oder…“
    Meine Augenbrauen zogen sich zusammen.
    „ Oder, was?“
    „ Mein Blut…du wolltest nicht…?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Es hat nichts damit zu tun, dass ich dich nicht will.“ Ich bemühte mich zu Flüstern. „Aber du bist ohnehin so geschwächt, da kann ich dir doch nicht noch mehr Kraft entziehen. Es sollte erst geschehen, wenn ich dich
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