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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt
Autoren: Dennis Lehane
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Sohn starb“, begann Gerry und zog Campbell Rawson an sich, liebkoste dessen samtene Haut, „gab es keine Warnung. Er war draußen auf dem Hof, vier Jahre alt, machte Lärm und dann… plötzlich nicht mehr. Eine Ader in seinem Gehirn war geplatzt.“ Er zuckte mit den Achseln. „Einfach so. Der Kopf füllte sich mit Blut. Dann starb er.“
„Netter Abgang!“
Er lächelte mich weich und nachsichtig an. „Noch eine solche Bemerkung, Patrick, und ich zerschmettere dem
Kind den Schädel!“ Er neigte den Kopf und küsste Campbell auf die Wange. „Also, dann war mein Sohn tot. Und ich merkte, dass es keine Möglichkeit gab, vorherzusagen oder zu verhindern, was mit ihm geschehen war. Gott hatte entschieden, dass ssrendan Glynn an dem Tage starb. Und so war es auch.“
„Und deine Frau?“
Er strich mit der Wange über Campbells Haar, doch dessen Augen blieben geschlossen.
„Tja, meine Frau. Ich hab sie umgebracht, stimmt. Nicht Gott. Ich war’s. Keine Ahnung, was für Pläne Gott mit der Frau hatte, aber ich hab ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich hatte auch Pläne für Brendan, aber da hat er mir einen Strich durch gemacht. Wahrscheinlich hatte er auch Pläne für Kara Rider, aber dann muss er halt umdisponieren, nicht?“
„Und Hardiman?“ fragte ich. „Was hatte der damit zu tun?“ „Hat er dir von seinem Kindheitserlebnis mit Hornissen erzählt?“ „Ja.“
„Hmm. Das waren keine Hornissen. Alec malt es gerne schön aus. Ich war dabei: Es waren Moskitos. Er verschwand in einer ganzen Wolke, und als er wieder hervorkam, konnte ich sehen, dass er sein Gewissen verloren hatte.“ Er grinste, in seinen Augen sah ich die Insektenwolke und den dunklen See. „Und danach habe ich mit Alec ein Verhältnis aufgebaut, ein Lehrer-Schüler-Verhältnis, aus dem später sehr viel mehr wurde.“
„Und er ist… er ist absichtlich in den Knast gegangen, um dich zu schützen?“
Gerry zuckte mit den Schultern. „Das Gefängnis hat für jemanden wie Alec keine Bedeutung. Er ist absolut frei,
Patrick. Im Kopf. Gitter können ihn nicht einsperren. Im Gefängnis ist er freier als die meisten Leute draußen.“
„Und warum musste dann Diandra Warren bestraft werden, die ihn doch dahin geschickt hatte?“
Er runzelte die Stirn. „Sie hat Alec reduziert auf das, was sie in ihm sehen wollte. Im Zeugenstand. Sie war der Ansicht, sie könnte ihn einer Jury von Schwachköpfen erklären. Es war eine scheiß Beleidigung!“
„Aha, dann geht es also bei all dem hier“, ich machte mit dem Arm eine ausgreifende Bewegung, „nur darum, dass du und Alec sich an wen auch immer rächen wollen?“
„An wem“, korrigierte er mich und lachte wieder.
„An Gott?“ fragte ich.
„Das ist etwas zu einfach ausgedrückt, aber wenn das die Art von Gesabber ist, die du hinterher an die Medien verkaufst, wenn ich tot bin, dann bitte schön!“
„Du wirst sterben, Gerry? Wann denn?“
„Sobald du in Aktion trittst, Patrick. Entweder bringst du mich um“, er wies mit dem Kopf in Richtung der Polizei. „Oder die da.“ „Was ist mit den Geiseln, Gerry?“
„Einer von beiden geht drauf. Mindestens. Du kannst sie nicht beide retten, Patrick. Keine Chance. Das musst du akzeptieren.“ „Hab ich schon.“
Danielle Rawson studierte mein Gesicht, um zu sehen, ob ich es ernst meinte. Ich sah ihr so lange in die Augen, bis sie davon überzeugt war.
„Einer von beiden stirbt“, wiederholte Gerry, „sind wir uns da einig?“ „Ja.“
Ich drehte den linken Fuß nach rechts, zur Mitte und wieder nach rechts. Für Gerry sah das hoffentlich wie eine
geistesabwesende Bewegung aus. Für Oscar hoffentlich nicht. Ich konnte aber nicht riskieren, noch einmal zum Auto hinüberzusehen. Ich musste einfach darauf vertrauen, dass er da war.
„Vor einem Monat“, begann Gerry erneut, „hättest du alles getan, um beide zu retten. Du hättest dir das Hirn zermartert. Jetzt nicht mehr.“
„Nein. Du hast mir viel beigebracht, Gerry.“
„Wie viele Leben hast du zerstört, um mich zu bekommen?“ wollte er wissen.
Ich dachte an Jack und Kevin. An Grace und Mae. Und an Phil natürlich.
„Genügend“, antwortete ich.
Er lachte. „Gut! Gut. Das ist lustig, nicht? Ich meine, gut, du hast nie jemand absichtlich umgebracht. Oder? Aber das kann ich dir sagen, ich habe mir das auch nicht gerade als Lebensaufgabe ausgesucht. Nachdem ich meine Frau in einem Anfall von Jähzorn getötet hatte, das war überhaupt nicht geplant, wirklich… nachdem
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