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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen
Autoren: Horst Biernath
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doch los, und von seinem dicken Bündel war auch nicht viel übrig geblieben. Mit Erstaunen beobachtete ich, wieviel die Damen vertragen konnten, und noch erstaunlicher war, wie sicher sie dabei im Kopfrechnen und Kassieren blieben. Der große Fabricius hielt sich an meiner Seite. Er schien eine Menge zu vertragen, während ich deutlich spürte, daß die Zacken in meiner Krone schon ganz hübsch in die Höhe geschossen waren. Dennoch sah ich aus dem Augenwinkel, daß er etwas aus seiner Gesäßtasche zog. Teufel, Teufel! Ein Bündel Scheine, womöglich noch dicker als jenes, aus dem er mich vorher so großzügig versorgt hatte.
    Er schob es mir unauffällig in die Jackettasche: »Geh mal auf den Lokus«, flüsterte er mir zu, »und verreib die Dinger ein bißchen...«
    »Bist du nicht ganz dicht?« fragte ich verblüfft, »wozu sollte ich...?«
    »Los!« knurrte er mich an, »mach schon! Ohne Geld geht das Fest nicht weiter. Und die Hasen sind doch ganz zuckrig, oder etwa nicht?«
    Ich ging. Nicht mehr ganz sicher auf den Beinen. Aber ich ging. Und ich ahnte Fürchterliches. Der Toilettenmann schloß mir eine Tür auf. Ich sperrte mich ein. Das Geldbündel, das ich aus der Tasche zog, mochte vierzig bis fünfzig Scheine enthalten, also etwa vier- bis fünfhundert Mark, alle taufrisch, als wären sie gerade aus der Notenpresse gekommen. Das Licht war miserabel, eine Lampe für den ganzen Raum, sie hing schräg über mir, aber so viel erkannte ich auch bei der schlechten Beleuchtung, daß keiner der Scheine ein Wasserzeichen besaß. Es waren Blüten. Zweifellos gute Arbeit. Die drei Herren, die an der Bar saßen, waren ja auch Grafiker und verstanden sich auf ihr Fach.
    Ja, ich hatte in dem Moment, in dem er mir das Geld in die Tasche schob, geahnt, welche Entdeckung mir bevorstand. Ich war plötzlich so nüchtern, als hätte ich den ganzen Abend über nichts anderes als Brunnenwasser getrunken. Ich zerriß die Scheine, so gut es in der Eile ging, in kleine Fetzen - und spülte lange und gründlich. Dem Toilettenmann gab ich den letzten, angeknitterten Zehner, den ich von der großzügigen Geste des großen Fabricius beim Eintritt ins Miramar übrig behalten hatte.
    »Alles für mich, junger Herr?« fragte der alte Mann mit einem Gesicht, als könne er an so viel Glück nicht glauben. »Alles für Sie. Aber Sie müssen mir dafür einen kleinen Gefallen tun...«
    »Aber gern, junger Herr!«
    »An der Bar sitzen drei Herren. Einer von ihnen heißt Fabricius. Bestellen Sie ihm, daß ich gegangen bin und den Brief zerrissen habe. Haben Sie verstanden?«
    »Ganz genau, ich soll nach Herrn Fabricius fragen und ihm sagen, daß Sie weg sind und den Brief zerrissen haben...«
    Das war unsere letzte Begegnung. Bald darauf meldeten die Zeitungen, daß die Provinz mit falschen Zehnmarkscheinen überschwemmt würde. Zeichnung und Druck der Blüten lasse darauf schließen, daß es sich bei den Falschmünzern um Fachleute handle. Man erkenne das Falschgeld jedoch leicht am fehlenden Wasserzeichen. Es dauerte aber noch zwei Monate, bis man den großen Fabricius und seine beiden Genossen verhaftete. Und wieder beging er eine sagenhafte Dummheit, noch dümmer als jene, die er sich bei dem Einbruch in die Bartensteiner Raritätensammlung geleistet hatte. Ein Polizist beobachtete in Marienwerder drei junge Leute, die in den Bäckerläden Brote kauften und die Brote bald nach dem Verlassen des Ladens wegwarfen oder auf die Speerspitzen eines Eisenzaunes spießten. Als er sie anrief und stellen wollte - eigentlich nur wegen groben Unfugs -, rannten sie davon und verloren bei der Flucht eine Ledermappe. Sie war mit Zehnmarkscheinen bis zum Rand vollgestopft. Da erst wußte er Bescheid, mit wem er es zu tun hatte. Auf dem Bahnhof wurden die drei verhaftet. Das Urteil des Schwurgerichtes lautete für jeden der drei auf zehn Jahre Zuchthaus.
    Hatte ich mich schuldig gemacht, daß ich meine Entdeckung nicht sofort gemeldet hatte? Vater hätte mir die Frage leicht beantworten können, aber er war der letzte, dem ich mich anzuvertrauen gewagt hätte. Die Zeitungen brachten lange Berichte über die Verhandlung vor dem Landgericht. Sie begann kurz vor den schriftlichen Arbeiten. Das Urteil wurde an dem Tage verkündet, an dem wir uns im Zeichensaal an die lateinische Übersetzung machten, eine ziemliche Gemeinheit, denn der Text, den wir zu übertragen hatten, war ein Brief von Herrn von Goethe an Herrn Eckermann. Aber ich konnte beruhigt
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