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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen
Autoren: Horst Biernath
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jemand ins Kreuz: »Mensch, was machst du in Königsberg?«
    Die Stimme riß mich herum.
    Der große Fabricius! Tadellos in Schale. Dunkler Anzug mit feinen weißen Nadelstreifen. Halbschuhe aus schwarzem Wildleder. Und ein breitrandiger schwarzer Künstlerhut mit flach gedrücktem Kopfstumpen. Was war ich gegen ihn schäbig angezogen...
    »Mein alter Herr hat sich schon vor eineinhalb Jahren nach Königsberg versetzen lassen. Seitdem wohnen wir hier...«
    »Prächtig, prächtig«, sagte er in dem alten, schleppenden Tonfall, der mir zuerst auf die Nerven gegangen war und später imponiert hatte, »und was machst du?«
    »Ich versuche es zu machen, nach einem halben Jahr, das Abitur nämlich, aber ob ich’s machen werde, ist äußerst fraglich. Und was treibst du?«
    Er wedelte etwas unbestimmt mit der Hand durch die Luft. »In Kunst...« sagte er schließlich. »Ich habe mich mit zwei Kumpels von der Kunstgewerbeschule zusammengetan. Wir ziehen durch die Provinz. Sie schämt sich ihrer Provinzialität und läßt sich von uns aufmöbeln. Buchstäblich. Wir machen aus alten, vergammelten Konditoreien lauschige Likördielen und aus den Freßschuppen alter Hotels appetitanregende Speiseräume. Man nennt so etwas Innendekoration...«
    »Es scheint ein gutes Geschäft zu sein.«
    »Ist es«, sagte er schlicht. »Aber erzähl etwas von dir. Wie lange ist es her, daß wir uns nicht gesehen haben? Drei Jahre oder vier?«
    »Dreieinhalb, wenn du es genau wissen willst.«
    »Eine verrückte Zeit, damals...«
    »Nicht nur die Zeit - auch du...« Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn an seinen Idiotenstreich zu erinnern. »Wahrhaftig«, sagte er, »außer, daß ich total besoffen war, muß ich Kuhscheiße im Schädel gehabt haben. Vorbei, vorbei, verjährt, vergessen. Vergiß auch du es.«
    »Du hättest dich bei mir einmal melden können...« »Ich weiß, ich weiß, du hast damals zu mir gehalten. Soll ich mich bedanken?«
    »Nicht nötig, ich hab’s gern getan.«
    »Und sonst? Abitur ist ein hehres Ziel. Aber dann? Willst du deine Brötchen dereinst als Steißtrommler verdienen? Du hattest doch mal andere Ambitionen, wenn ich mich recht erinnere...«
    »Du erinnerst dich recht...«
    »Was stehen wir hier herum«, sagte er, »hast du Zeit für ein kleines Helles oder für eine Tasse Kaffee? Wozu ich dich selbstverständlich einlade!«
    Ich klopfte gegen meine leeren Taschen: »Wenn es so ist, dann gern. Ich bin nämlich völlig blank.«
    Wir verließen die Brücke, schwenkten links zur Münzstraße ein und fanden bei Schwermer einen Fensterplatz. Auf den Schloßteichpromenaden flammten die Laternen auf und spiegelten sich mit langen Lichtbahnen im dunklen Wasser. Wir nahmen beide einen Kaffee.
    »Ich habe nämlich heute abend noch etwas vor«, sagte er, als müsse er sich für den Kaffee entschuldigen, »und ich fürchte, daß es recht feucht werden wird.«
    Und dann holte er nach und nach aus mir heraus, was ich tat und was ich trieb, den Unterricht bei Herrn Franken und die ewigen Geldnöte...
    »Peinlich, peinlich?« sagte er und fügte mit einem kleinen Grinsen hinzu, »und mit silbernen Löffeln ist auch nicht mehr viel zu machen.« Dabei zog er die Brieftasche, eine beneidenswert gut gespickte Brieftasche, und schob mir zwei Zwanzigmarkscheine über den Tisch hinüber: »Du kannst sie ruhig nehmen, das sind für mich kleine Fische. Denn der Weizen blüht. Und du bist damit für zwei Monate die Sorgen um das Wochenhonorar für deinen Herrn Franken los. Kommst du wenigstens voran?« »Ich weiß nicht recht, ich fürchte, meine Gurgel ist doch zu ostpreußisch eingeschliffen.«
    »Dann versuch es doch beim Film«, grinste er, »aber ich fürchte, da wirst du mit deinem schiefen Zinken Schwierigkeiten haben.« - Er rief den Ober heran, um zu zahlen, und hatte es plötzlich sehr eilig. Die beiden Geldscheine lagen noch zwischen uns auf dem Tisch. »Los, mach schon und steck sie ein! Und wenn du mal die Gagen vom Harry Liedtke verdienst, kannst du sie mir zurückgeben.« - Da schob ich das Geld in die Tasche. Er zahlte die kleine Rechnung, und wir verließen das Café.
    »Wie steht’s«, fragte ich, bevor wir uns trennten, »sehen wir uns einmal wieder? Lebst du überhaupt in Königsberg?«
    »Nein, nein, immer in der Provinz, mal hier, mal dort. Im Augenblick logiere ich im Continental, seit zwei Tagen. Morgen geht es nach Allenstein zurück.« Im Continental! Er warf das so lässig hin, als ob es für ihn nichts anderes
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