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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
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–, sodass ich ihre durchtrainierten Muskeln deutlich sehen konnte, Bizeps, Trizeps, die sich in einem fortwährenden Spannungszustand befanden, und das seit dem Augenblick, da sie vor zwei Stunden den Besucherraum von
Poplar House
betreten hatte. Von Anfang an hatte hauptsächlich Jamie das Reden übernommen, sowohl mit Shayna,der Leiterin von
Poplar House
, als auch mit mir. Während Cora still blieb, stumm. Doch ab und zu spürte ich ihren Blick auf mir, fest, unverwandt, als wollte sie mein Gesicht auswendig lernen. Oder vielleicht auch bloß herausfinden, ob sie irgendetwas von mir und an mir wiedererkannte.
    Cora hat also jetzt einen Ehemann, hatte ich gedacht und die beiden eingehend betrachtet, während sie einander gegenübersaßen und Shayna mit allen möglichen Unterlagen zwischen uns herumfuhrwerkte. Wie sie wohl geheiratet hatten? Aufwendig, in Weiß, mit allem Drum und Dran? Oder waren sie durchgebrannt, nachdem sie damit herausgerückt war, dass sie keine nennenswerte Familie hatte? Ich war mir ziemlich sicher, dass sie sich am liebsten so darstellte, als sei sie total eigenständig und auf sich allein gestellt   – als wäre sie einfach so, aus dem Nichts, auf die Welt gekommen und groß geworden, ohne jegliche Bindungen oder Verpflichtungen, niemandem gegenüber.
    »Falls es dir zu warm oder zu kalt ist: Der Thermostat ist draußen auf dem Flur«, erklärte Jamie gerade. »Von mir aus kann es gern ein bisschen kühler sein, aber deine Schwester mag es nun einmal tropisch heiß. Selbst wenn du die Heizung runterdrehst, führt das bloß unweigerlich dazu, dass Cor sie wieder hochstellt.«
    Er lächelte erneut. Ich ebenfalls. Mann, war das anstrengend. Ich spürte, wie Cora auf ihrem Wachposten im Türrahmen sich bewegte. Doch sie schwieg. Immer noch. Weiterhin.
    »Ach ja, jetzt«   – Jamie klatschte unvermittelt in die Hände   – »hätte ich beinahe das Beste vergessen.« Er ging zu dem mittleren unteren Fenster, griff hinter die Jalousie. Erst als er wieder zurücktrat, kapierte ich, dass es sich bei dem Fenster in Wirklichkeit um eine Tür handelte. Ich rochkalte Luft, die von draußen hereindrang. »Komm, das musst du sehen.«
    Ich verkniff mir den Impuls, mich noch einmal zu Cora umzudrehen, während ich einen Schritt nach dem anderen machte, hinter Jamie her. Meine Füße versanken in dem dicken, weichen Teppich. Ich folgte ihm hinaus auf einen kleinen Balkon. Er stand bereits am Geländer; ich stellte mich neben ihn. Gemeinsam blickten wir in den Garten. Als ich ihn vorhin zum ersten Mal gesehen hatte, unten, durchs Küchenfenster, waren mir nur die Dinge aufgefallen, die es in jedem Garten gibt: Gras, ein Schuppen, die große Terrasse mit dem großen Grill in der Ecke. Doch jetzt bemerkte ich auf einmal die Findlinge, große Felsbrocken, die malerisch auf der Wiese lagen, und zwar nicht einfach so, sondern in einem sorgfältigen Oval. Wieder kam mir Stonehenge in den Sinn. Komisch, wie diese reichen Typen tickten. Waren die auf Druiden fixiert oder was?
    »Das wird einmal ein Teich«, verkündete Jamie, als hätte ich meine letzten Gedanken laut ausgesprochen.
    »Ein Teich?«, fragte ich nach.
    »Ein Biotop«, erwiderte er. »Zehn mal sieben Meter, nur Naturmaterialien, inklusive Wasserfall. Und Fischen. Cool, oder?«
    Erwartungsvoll ruhte sein Blick auf mir. »Ja«, antwortete ich, braver Gast, der ich war. »Klingt gut.«
    Er lachte. »Hast du das gehört, Cor? Endlich jemand, der mich deswegen nicht gleich für verrückt erklärt.«
    Ich warf noch einen Blick auf das Felsenoval, bevor ich mich zu meiner Schwester umwandte. Sie war mittlerweile ins Zimmer gekommen, allerdings nur knapp bis zur Mitte des Raums, und hielt nach wie vor die Arme vor der Brust verschränkt, während sie stumm dastand und uns beobachtete.Einen Moment lang begegneten sich unsere Blicke. Wie um alles in der Welt war ich hier gelandet? Keine von uns beiden wollte, dass ich hier war, an diesem Ort. Trotzdem war ich da. Dann öffnete sie den Mund, zum allerersten Mal, seit wir vor dem Haus vorgefahren waren und alles   – was auch immer das war   – angefangen hatte.
    »Es ist kalt«, meinte Cora. »Kommt bitte wieder rein.«
    ***
    Bis zu dem Augenblick heute Mittag um eins, als sie erschienen war, um mich abzuholen, hatte ich meine Schwester zehn Jahre nicht gesehen. Nicht gewusst, wo sie wohnte, was sie trieb, nicht einmal, wer sie war. Es war mir auch egal. Früher hatte Cora in meinem Leben eine Rolle
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