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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
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Haus bleiben können. Klar, mit der Miete war ich im Rückstand und der Strom wäre auch bald abgeschaltet worden. Aber irgendwie hätte ich das schon geregelt bekommen, wie auch alles andere. Tatsache war, dass ich allein gut zurechtkam oder zumindest genauso gut wie mit meiner Mutter zusammen. Was nicht viel heißt, weiß ich. Trotzdem war ich auf eine gewisse, seltsame Weise stolz auf mich. Als hätte ich endlich bewiesen, dass ich sie auch nicht brauchte.
    Jedenfalls gab der Trockner eines späten Abends im Oktober mit einem Knall seinen Geist auf, und ziemlich verbrannt roch es auch. Ich wärmte mir gerade ein Fertiggericht (Makkaroni mit Käse) in der Mikrowelle auf. Mir blieb nichts anderes übrig, als vor dem Heizöfchen in der Küche, das ich benutzte, seit das Gas alle war, eine Wäscheleine zu spannen, alles aufzuhängen   – Jeans, T-Shirts , Socken   – und aufs Beste zu hoffen. Doch am nächsten Morgen war fastnoch nichts trocken, deshalb zog ich die Sachen an, die sich am wenigsten feucht anfühlten, und ließ den Rest hängen; darum würde ich mich am Abend kümmern, wenn ich von der Arbeit zurückkehrte   – dachte ich. Doch in der Zwischenzeit tauchten wieder einmal die Honeycutts auf, um ein paar Verandabretter auszutauschen, die angeblich morsch waren. Als sie die Wäscheleine bemerkten, verschafften sie sich Zugang zum Haus. Und entdeckten alles.
    Im
Poplar House
erfuhr ich dann, was in dem Bericht stand, den der Sachbearbeiter vom Sozialamt über den Zustand des gelben Hauses verfasste, denn Shayna, die Leiterin von
Poplar House
, las laut daraus vor. Mir wurde sofort klar, dass der Urheber dieses Berichts es aus irgendeinem Grund für nötig befunden hatte zu übertreiben, damit alles schlimmer klang, als es tatsächlich war.
    Die minderjährige Person lebt ohne fließend Wasser und Elektrizität in einem Mietobjekt, welches seitens der Eltern oder des verantwortlichen Elternteils aufgegeben wurde. Der Küchenbereich starrte vor Schmutz und war von Ungeziefer befallen. Die Heizungfunktionierte nicht. Spuren von Alkohol- und Drogenmissbrauch wurden entdeckt. Die minderjährige Person hauste dort anscheinend schon seit Längerem allein.
    Um gleich vorneweg schon mal eins richtigzustellen: Natürlich hatte ich fließend Wasser. Bloß in der Küche nicht mehr, nachdem die Rohre geplatzt waren. Nur deshalb türmte sich dort auch manchmal das Geschirr ein wenig, denn um ein paar Teller abzuwaschen, lohnte es sich kaum, Wasser aus dem Bad in die Küche zu schleppen. Was das »Ungeziefer« angeht: Kakerlaken hatten wir immer gehabt. Ja, okay, vielleicht waren es ein paar mehr geworden, seit es in der Küche keine funktionierende Wasserleitung mehr gab. Aber ich hatte in regelmäßigen Abständen Insektenvertilgungsmittelgespritzt. Außerdem besaß ich einen Heizlüfter, er lief bloß nicht in dem Moment. Kommen wir schließlich zu dem Punkt »Alkohol- und Drogenmissbrauch« . . . Ich vermute, das bezog sich auf die Kippe im Aschenbecher und die paar Flaschen auf dem Beistelltisch, und deren Existenz konnte ich nun wirklich nicht leugnen. Aber ist das Grund genug, jemanden ohne Vorwarnung aus seinem Haus und seinem Leben zu vertreiben?
    Noch während Shayna mit ausdrucksloser Stimme den Bericht vorlas, glaubte ich, mich irgendwie rausreden, das Problem durch Quasseln lösen zu können. Glaubte, dass man mich am Ende trotz allem heimgehen lassen würde   – solange ich es bloß schaffte, die Situation in allen Einzelheiten zu schildern, die richtigen Dinge zu erwähnen und hervorzuheben. Schließlich würde ich in sieben Monaten achtzehn werden. Und dann war das sowieso alles irrelevant. Doch kaum öffnete ich den Mund, um Thema Nummer eins, die Sache mit dem fließenden Wasser, klarzustellen, schnitt sie mir auch schon das Wort ab.
    »Ruby?«, fragte sie, »wo ist deine Mutter?«
    Erst in dem Augenblick dämmerte mir, was im Laufe der Zeit zu einer inneren Selbstverständlichkeit werden würde: Egal was ich sagte, wie sorgfältig ich meine Argumente abwog und vorbrachte, selbst wenn ich alle rhetorischen Tricks anwandte, die ich mir über die Jahre angeeignet hatte, alle Ausflüchte, alle Überzeugungskraft, derer ich fähig war   – nur eins zählte noch, jetzt und für immer. Und das war:
    »Keine Ahnung«, antwortete ich. »Eines Tages war sie einfach weg.«
    ***
    Nach der Führung durchs Haus, dem kleinen Intermezzo mit dem Teich und ein paar weiteren peinlichen Momenten ließen Cora und
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