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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
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geborgen, als ich bemerkte, dass der Schlüssel sich weiterhin auf meiner Haut abzeichnete   – jener Schlüssel, welcher die Tür zu allem öffnete, das ich hinter mir gelassen hatte.
    ***
    Als Jamie die Treppe hochrief, das Abendessen sei fertig, hatte ich bereits beschlossen, noch in derselben Nacht abzuhauen. Es gab einfach keine sinnvolle Alternative; warum sollte ich ihr makellos reines Haus oder das hübsche Bett in meinem Zimmer weiter durch meine Anwesenheit verschmutzen? Sobald sie eingeschlafen waren, würde ich mir meinen Krempel schnappen, mich durch die Hintertür davonschleichen und innerhalb weniger Minuten auf einergrößeren Straße sein. Von der ersten Telefonzelle aus, die ich fand, würde ich einen meiner Freunde anrufen, damit man mich abholte. Im gelben Haus konnte ich vorläufig nicht bleiben, weil man dort als Erstes nach mir suchen würde, das stand fest. Aber wenn ich es schaffte, kurz vorbeizudüsen, konnte ich wenigstens noch meine Sachen holen, die dort zurückgeblieben waren. Ich war nicht blöd. Ich wusste, nichts war mehr so wie vorher, radikal und unwiderruflich. Doch konnte ich wenigstens noch einmal durch alle Zimmer gehen, mich verabschieden und versuchen, eine Nachricht zu hinterlassen, nur für den Fall, dass jemand vorbeikommen und mich suchen würde.
    Danach hieß es: sich ruhig verhalten und abwarten. Nach ein paar Tagen Aufregung, in denen man mich suchen und jede Menge Akten über mich anlegen würde, würden Cora und Jamie mich als hoffnungslosen Fall abschreiben, als jemanden, der nicht zu retten war. Ihre Wir-sind-moralisch-einwandfrei-Punkte hätten sie sich bis dahin längst verdient. Weil sie es immerhin versucht hatten   – und trotzdem relativ ungeschoren davongekommen waren. Genau die Lösung, die den meisten Menschen sowieso am liebsten ist.
    Mit der Haarbürste in der Hand ging ich ins Bad. Ich wusste, ich sah fertig aus; kein Wunder, nach zwei fast schlaflosen Nächten und dann diesem Tag heute, diesem sehr langen Tag. Doch durch das Licht in diesem speziellen Badezimmer   – eindeutig darauf angelegt, einem zu schmeicheln   – sah ich besser aus als in echt, was irgendwie beunruhigend war. Denn wenn einem schon sonst niemand die Wahrheit sagt, dann doch wenigstens der Spiegel, das ist sein Job, oder etwa nicht? Ich machte das Licht aus und bürstete mir die Haare im Dunkeln.
    Bevor ich das Zimmer verließ, warf ich einen Blick auf meine Uhr: Viertel vor sechs. Ging man mal davon aus, dass Cora und Jamie spätestens um Mitternacht   – allerspätestens   – im Bett lagen, bedeutete Viertel vor sechs, dass ich nur noch sechs Stunden und fünfzehn Minuten hier zu ertragen hatte. Diese Erkenntnis beruhigte mich, gab mir das Gefühl, die Situation im Griff zu haben, sowie die Kraft aufzubringen, die ich brauchte, um runter zum Essen zu gehen und allem, was da sonst noch auf mich warten mochte.
    Doch so wachsam, ja misstrauisch ich auch war   – nichts hätte mich auf das vorbereiten können, was mir am Fuß der Treppe begegnete. Denn dort unten in dem dunklen Flur, kurz vor dem bogenförmigen Durchgang zur Küche, trat ich in etwas Nasses. Und Kaltes, wie ich merkte, denn, was auch immer es war, spritzte gegen meine Knöchel.
    »Huch.« Ich zog den Fuß zurück und schaute mich hastig um. Worum auch immer es sich bei der Flüssigkeit handelte   – durch meine Bewegung verbreiterte sich die Pfütze auf dem Boden. Ich erstarrte, um Schlimmeres zu verhindern. Seit kaum einer halben Stunde hielt ich mich in Coras perfektem Palast auf, hatte es aber bereits geschafft, Chaos zu verbreiten. Hektisch schaute ich mich nach etwas um, womit ich die Bescherung aufwischen konnte   – den Wandteppich, der fast in Reichweite hing? Irgendetwas aus dem Schirmständer? Da hörte ich ein
Klick
: Das Licht wurde eingeschaltet.
    »Hi.« Beim Sprechen trocknete Jamie sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. »Mir war so, als hätte ich etwas gehört. Komm rein, wir wollten gerade   –« Er unterbrach sich, weil er die Pfütze entdeckt hatte. Und wie dicht ich danebenstand. »Shit«, meinte er.
    »Tut mir leid«, antwortete ich.
    Doch bevor ich noch etwas hinzufügen konnte, sagte er rasch: »Schnell.« Warf mir das Handtuch zu. »Wischst du das eben auf, bitte? Bevor sie   –«
    Ich fing das Handtuch auf und wollte mich gerade bücken, als mir klar wurde, dass es bereits zu spät war. Cora stand im Durchgangsbogen hinter Jamie und blickte ihm über die
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