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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
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füllte schließlich seinen eigenen. Es war alles so förmlich und gleichzeitig so
normal
, dass ich richtig nervös wurde. Ich ertappte mich dabei, wie ich verstohlen meine Schwester beobachtete und meine Gabel erst hob, um zuessen, als sie es tat. Echt krass, wenn man bedenkt, wie lange es her war, seit ich Cora irgendetwas abgeschaut hatte. Trotzdem hatte es natürlich einmal eine Zeit in unserem Leben gegeben, in der sie mir alles beigebracht hatte, was man so lernen musste und konnte. Deshalb machte ich das mit der Gabel   – wie so vieles andere   – vielleicht auch nur rein intuitiv.
    »Morgen melden wir dich bei deiner neuen Schule an«, verkündete Jamie munter. »Cora muss zu einer Besprechung, deshalb bringe ich dich dahin, wo ich früher mein Unwesen getrieben habe.«
    Ich blickte von meinem Teller auf. »Ich gehe doch auf die Jackson.«
    »Gehört nicht zu diesem Bezirk«, antwortete Cora und spießte ein Stück Gurke mit ihrer Gabel auf. »Und selbst wenn wir eine Ausnahmegenehmigung bekämen   – die Fahrt wäre einfach zu lang.«
    »Aber das Schuljahr ist gerade mal zur Hälfte vorbei«, wandte ich ein. Sah für den Bruchteil einer Sekunde meinen Spind vor mir, das Bio-Projekt, das ich erst vor einer knappen Woche abgegeben hatte, einfach all das, was ich gerade verloren hatte, zum Beispiel auch mein Zeug in dem gelben Haus. Weg. Zurückgelassen. Ich schluckte, atmete tief durch. »Ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen.«
    »Das wird schon«, meinte Jamie. »Morgen kümmern wir uns in Ruhe um alles.«
    »Mir macht es nichts aus, auch eine längere Strecke Bus zu fahren.« Plötzlich war mir der Klang meiner eigenen Stimme peinlich, so angespannt, fast verzerrt wegen dem Kloß, der sich in meiner Kehle festgesetzt hatte und dadurch verräterisch deutlich zu hören war. Absurd   – nachallem, was passiert war, fing ich ausgerechnet wegen der
Schule
an zu heulen. »Ich kann früh aufstehen, daran bin ich gewöhnt.«
    »Ruby.« Cora blickte mir direkt in die Augen. »Wir wollen nur dein Bestes. Perkins Day ist eine ausgezeichnete Schule.«
    »Perkins Day?«, fragte ich. »Ist das euer
Ernst

    »Stimmt was nicht mit Perkins Day?«, erkundigte sich Jamie.
    »Was? Alles!«, entgegnete ich. Er wirkte im ersten Moment überrascht, dann verletzt. Super. Ich hatte es geschafft, den einzigen Menschen vor den Kopf zu stoßen, der in diesem Haus auf meiner Seite gewesen war. »Ist keine schlechte Schule«, versuchte ich ihm zu erklären. »Bloß . . . ich passe da nicht hin. Weder in so einen Laden noch zu den Leuten dort.«
    Was eine grandiose Untertreibung war. Seit zwei Jahren ging ich mittlerweile auf die Jackson Highschool, die größte im ganzen Regierungsbezirk. Notorisch überfüllt, notorisch unterfinanziert; die Hälfte des Unterrichts fand in Wohnwagen und Containern statt. Es galt als Ehre, dort ein Jahr zu überleben, vor allem, wenn man so war wie ich und sich mit Typen herumtrieb, die nicht gerade gesteigerten Wert auf schulische Bildung legten. Doch nach den Jahren, in denen ich mit meiner Mutter ständig umgezogen war, ständig die Schule gewechselt hatte, war die Jackson High die erste Schule, die ich zwei aufeinanderfolgende Jahre besucht hatte. Und egal, was für ein Loch es war   – wenigstens war es ein mir vertrautes. Im Gegensatz zur Perkins Day Highschool, einer privaten Eliteschule mit einem berühmten Lacrosse-Team und einem Schülerparkplatz, auf dem sich mehr Luxusschlitten tummelten als bei einem Autohändler,der auf europäische Importe spezialisiert ist. Ganz zu schweigen davon, dass die Absolventen der Perkins High spielend die Aufnahmeprüfungen für die besten Colleges des Landes schafften. In Berührung mit Leuten von der Perkins High kam unsereins lediglich, wenn die zufällig Bock darauf hatten, auf irgendwelchen Asi-Partys zu versumpfen. Selbst dann blieben die Mädchen oft bei laufendem Motor   – wegen der Klimaanlage und dem Radio natürlich   – in den Autos sitzen, weil sie sich als so etwas Besseres fühlten, dass es unter ihrer Würde war, überhaupt auszusteigen und hereinzukommen. Laute Musik drang dann aus dem Wageninneren, doch von ihnen selbst sah man meistens nur gepflegte Hände mit lackierten Fingernägeln, die lässig aus den Fenstern baumelten und noch lässiger Zigaretten hielten, von denen sich langsam der Rauch in die Höhe schraubte.
    In dem Moment schob Jamie hastig seinen Stuhl zurück und sprang auf. »Roscoe!«, rief
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