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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
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unteren Stockwerk gingen aus. Jamie hatte sich endlich dazu durchgerungen, schlafen zu gehen.
    Ich setzte mich auf, fuhr mir mit allen zehn Fingern durchs Haar   – mehr Kämmen war gerade nicht drin   – und horchte in die Dunkelheit. Im gelben Haus, das so klein war und so dünne Wände hatte, dass man hören konnte, wie sich jemand zwei Zimmer weiter im Bett umdrehte, war es leicht gewesen, jedes Geräusch, jede Bewegung mitzukriegen. In Coras Palast gestaltete sich das wesentlich schwieriger. Auf Zehenspitzen schlich ich zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit. In einiger Entfernung hörte ich Schritte, eine Tür, die sich erst öffnete, dann wieder schloss. Super. Jetzt war er definitiv in seinem Zimmer.
    Ich bückte mich, schnappte mir meine Tasche, trat auf den Flur und hielt mich dicht an der Wand, bis ich die Treppe erreichte. Unten in der Eingangshalle hatte ich zum ersten Mal seit Tagen echt Glück: Die Alarmanlage war ausgeschaltet. Danke, Gott, oder wer auch immer du bist!
    Ich streckte die Hand nach der Türklinke aus und öffnete die Tür so leise wie möglich. Als Erstes stellte ich die Tasche raus und wollte gerade über die Schwelle treten, als ich ein Pfeifen hörte.
    Ein fröhliches Pfeifen, eine bekannte Melodie   – irgendetwas Eingängiges aus einem Werbespot. Vielleicht für Waschpulver. Ich blickte mich suchend um. Wer um alles in der Welt trieb sich außer mir um halb zwei Uhr nachts auf einer Nebenstraße in einer ordentlichen, beschaulichen Vorstadt herum? Die Antwort erhielt ich postwendend.
    »Bist ein braver Hund, Roscoe! Braver Hund!«
    Ich erstarrte. Jamie. Inzwischen konnte ich ihn auch sehen: Er kam auf der anderen Straßenseite aufs Haus zu. Roscoe, der gerade an einen Briefkasten gepinkelt hatte, führte er an der Leine.
Shit
, dachte ich und überlegte hektisch, ob er weit genug weg war, um mich
nicht
zu sehen, wenn ich in die entgegengesetzte Richtung abhauen und dabei Slalom um die Lichtkegel der Laternen laufen würde. Nach kurzer Einschätzung der Lage beschloss ich jedoch, ums Haus herum zu verschwinden.
    Als ich die Stufen hinunterstürzte, konnte ich ihn erneut pfeifen hören. Ich rannte erst über den Rasenstreifen seitlich am und dann über die Wiese hinter dem Haus, duckte mich an einer Rasenbewässerungsanlage vorbei und arbeitete mich zielstrebig zum anderen Ende des Grundstücks vor, direkt auf die Quelle des merkwürdigen Lichtscheins zu, von der ich mittlerweile inständig hoffte, dass es sich dabei um Aliens handelte oder eine Art Wurmloch, irgendetwas, durch das ich mich unauffällig verkrümeln konnte.
    Stattdessen gelangte ich an einen Zaun. Ich warf meine Tasche hinüber und fragte mich gerade, wie hoch meine Chancen waren, ihr zu folgen, geschweige denn, was mich auf der anderen Seite erwartete. Da hörte ich ein dumpfes Klackern hinter mir. Ich fuhr herum. Roscoe hatte sich durch seine Hundeklappe gezwängt und kam in den Garten.
    Zuerst schnüffelte er einfach bloß überall herum, Schnauze dicht über dem Boden, zog seine Kreise. Doch plötzlich hielt er inne, Schnauze witternd in die Höhe gereckt.
O-o
, dachte ich, streckte mich, bekam das obere Ende des Zauns auch glücklich zu fassen, versuchte angestrengt, mich irgendwiehinüberzuziehen   – da fing er plötzlich an zu bellen und schoss wie eine Rakete auf mich zu.
    Man kann über kleine Hunde sagen, was man will, auf jeden Fall haben sie ein fantastisches Bewegungstalent. Binnen weniger Sekunden hatte er den beträchtlichen Abstand zwischen uns überwunden und kläffte nun zu meinen Füßen weiter. Ich baumelte wie eine Idiotin an dem Zaun, Trizeps und Bizeps brannten bereits höllisch. »Pscht«, zischte ich ihm zu, erreichte aber dadurch nur das genaue Gegenteil von dem, was ich beabsichtigt hatte: Er bellte immer lauter. In dem großen Haus hinter uns ging das Licht an; ich konnte Jamie am Küchenfenster ausmachen. Angestrengt spähte er in die Dunkelheit.
    Ich versuchte mit aller Kraft, mich weiter hochzuziehen, bemühte mich um einen besseren Halt. Schaffte es tatsächlich, einen Ellbogen auf den Zaun zu legen, und konnte mich immerhin so weit hochstemmen, dass ich erkannte: Das Licht, über dessen Ursprung ich den ganzen Abend gerätselt hatte, stammte von einem Swimmingpool, hatte also nichts mit irgendwelchen Außerirdischen zu tun. Das Becken war   – natürlich, was sonst?   – groß. Hell erleuchtet. Und jemand zog systematisch seine Bahnen darin.
    Roscoe kläffte und tobte
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