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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
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atmete zitternd durch, schüttelte den Kopf, war offenkundig nicht in der Lage zu antworten. Doch das brauchte sie auch schon gar nicht mehr, denn inzwischen hatte ich die Schachtel mit dem Schwangerschaftstest auf ihrem Nachttisch bemerkt. »Ach, Cora«, meinte ich tröstend. »Nimm’s nicht so schwer.«
    »Ich . . . ich . . .« Vor lauter Schluchzen konnte sie kaum sprechen.
    »Was ist denn los?« Jamie, der gerade die Treppe hochgekommen war, betrat den Raum. Ich deutete mit dem Kinn auf die Schachtel. Er sackte regelrecht in sich zusammen. Setzte sich jedoch tapfer auf Coras andere Seite und sagte: »Schatz, bitte, hör auf zu weinen. Du weißt doch, wir haben nächste Woche wieder einen Termin . . . dann werden wir sehen, wie wir weitermachen und   –«
    »Es geht mir gut«, stammelte Cora. Ich schnappte mir ein paar Taschentücher. »Wirklich, alles in Ordnung«, fuhr sie fort.
    Ich drückte ihr die Taschentücher in die Hand und nahm ihr im Gegenzug das schmale Plastikteil ab, welches sie umklammert hielt. Cora versuchte, durchzuatmen und sich zu beruhigen. Ich legte den Teststreifen neben uns aufs Bett. Erst dann warf ich einen Blick drauf.
    »Wirklich?«, fragte Jamie gerade, massierte sanft ihre Schultern. »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
    Ich starrte auf den Teststreifen. Noch einmal, um mich doppelt zu vergewissern. Und ein drittes Mal. »Jaaa!«, rief ich schließlich und hielt ihn in die Höhe. Das Plus-Zeichen war nicht zu übersehen. Cora brach schon wieder in Tränen aus. »Positiv. Definitiv. Absolut.«
    Von nun an wurde ihr dauernd schlecht, nicht bloß morgens. Und sie war ständig so müde, dass sie es gerade malschaffte, bis zum Abendessen wach zu bleiben, und anschließend sofort ins Bett ging. Aber sie beschwerte sich nie, kein einziges Mal.
    All das hatte mich ins Grübeln gebracht. Deshalb setzte ich mich ein paar Tage vor meiner Abschlussfeier an meinen Schreibtisch, um meiner eigenen Mutter, die immer noch in Tennessee in der Entzugsklinik war, einen längst überfälligen Brief zu schreiben. Da ich allerdings nicht genau wusste, was ich ihr überhaupt mitteilen sollte, hockte ich nach über einer Stunde vor einem nach wie vor leeren Blatt. Was tat ich also? Ich machte eine Kopie des Briefes, aus dem hervorging, dass ich zum Studium an der Uni zugelassen worden war, und steckte ihn in einen Umschlag, den ich an sie adressierte. Es war kein versöhnlicher Abschluss, aber immerhin so etwas wie ein Fortschritt. Eine neue Entwicklung. Zumindest wussten wir nun, wo wir die jeweils andere finden würden, wenn wir es denn wollten. Ab jetzt musste sich über die Zeit erweisen, ob eine von uns beiden sich je aufmachen würde, um die andere zu suchen.
    »Hab sie! Auf geht’s!«, brüllte Jamie von innen so laut, dass es vermutlich in der ganzen Nachbarschaft zu hören war. Roscoe stellte die Ohren auf und im nächsten Augenblick düste er mit klirrend fliegenden Hundemarken quer über die Wiese aufs Haus zu.
    Erst jetzt, wo ich wirklich allein war   – zumindest für ein paar Sekunden   –, griff ich unter den schwarzen Umhang und in die Tasche meines Kleides, holte den Schlüssel zum gelben Haus heraus, der seit Nates Abreise »kettenlos« auf meinem Schreibtisch gelegen hatte. Ein letztes Mal fuhr ich mit dem Finger an den Kanten entlang. Machte dann eine Faust, mit der ich ihn umschloss.
    Cora rief schon wieder nach mir. Meine Familie warteteauf mich. Ich blickte in den Teich. Und staunend kam mir in den Sinn, wie unfasslich es im Grunde war: Aus Nichts kann eine ganze Welt entstehen. Ich trat noch dichter an den Rand und ließ mein Spiegelbild nicht aus den Augen, während ich den Schlüssel fallen ließ. Mit einem leichten
Platsch
traf er auf der Wasseroberfläche auf. Die Fische schossen augenblicklich in alle Richtungen auseinander. Doch als der Schlüssel nun zu sinken begann, kehrten sie zurück, bildeten einen Kreis um ihn, tanzten ihren Schwimmtanz. Gemeinsam folgten sie dem Schlüssel in die Tiefe, bis er verschwunden war.

Informationen zum Buch
    Eben noch hat Ruby in einer unbeheizten Bruchbude gehaust. Und jetzt? Luxuriöse Villa, schicke Privatschule, teure Klamotten   ...Seit ihre Mutter verschwunden ist, lebt Ruby bei ihrer Schwester Cora und deren Mann Jamie, einem Internet-Millionär. Die beiden bieten ihr ein neues Leben, aber Ruby will sich nicht kaufen lassen. Zu tief sitzt der Schmerz, dass Cora sie vor zehn Jahren verlassen hat. Der Einzige, der Ruby
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