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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
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Schlüsselform, die eindeutig aus Harriets Werkstatt stammten. Ich hatte sie seit dem Moment, da ich das Geschenk auspackte, nicht mehr abgelegt.
    Ich ließ meinen Blick durch den Garten bis zu Nates Haus wandern. Die Bäume schwankten leicht im Wind. Ich nannte es nach wie vor Nates Haus, konnte mir das einfach nicht abgewöhnen, obwohl inzwischen weder er noch sein Vater dort wohnten. Mr Cross hatte es im Mai verkauft, kurz bevor er von mehreren seiner Kunden verklagt wurde. Sie hatten zunehmend Unstimmigkeiten bei der Abrechnung sowie seltsam geschrumpfte Kontostände entdeckt und begonnen, unangenehme Fragen zu stellen, die er nicht beantworten konnte. Allerdings existierte seine Firma, soweit ich wusste, wohl noch, wenn auch am Rande des Ruins. Er wohnte mittlerweile in einer kleinen Wohnung am anderen Ende der Stadt. Die neuen Eigentümer des Hauses hatten kleine Kinder, weswegen eigentlich immer jemand im Pool rumtobte. An warmen Nachmittagen drangen durch die geöffnetenFenster lautes Gelächter und Geplansche in mein Zimmer.
    Dank Gervais’ bewährter Methode hatte ich in Mathe wahrhaftig eine Eins minus geschafft und damit auch meinen Studienplatz an der Uni ergattert. Gleich würde ich ein letztes Mal über den Schulhof der Perkins Day ins Hauptgebäude laufen, um mein Abschlusszeugnis von Mr Thackray entgegenzunehmen. Damit war meine Highschool-Zeit offiziell vorbei. Und ich hatte bestanden! Vor der Abschlussfeier hatte es jede Menge zu organisieren gegeben, jede Menge Papierkram, jede Menge E-Mails und Infos, wem wann wo warum wie viele Karten für die Veranstaltung, auf der die Diplome verliehen wurden, zustanden. Die Anzahl der Regeln und Vorschriften, wie viele Reservierungen wir machen durften, grenzte ans Absurde. Letztendlich waren es bei mir exakt vier: Cora und Jamie, Reggie und Harriet. Streng genommen handelte es sich dabei natürlich nicht nur um Familienmitglieder. Aber wenn es eins gab, das ich in den letzten Monaten gelernt hatte, dann das: Was Familie war, ließ sich nicht eindeutig definieren. Besser, man blieb flexibel.
    Zumindest hatte ich diese These als Schlussfolgerung meiner Erkenntnisse formuliert, die ich bei der Arbeit an meinem Englisch-Projekt gewonnen hatte. Das ich übrigens erst in meiner letzten Schulwoche abgab. Jeder von uns musste ein Referat zu dem Thema halten und das Ergebnis seiner Recherchen vor der ganzen Klasse präsentieren. Ich hatte zu dem Zweck zwei Fotos mitgebracht: das von Jamies großer Familie sowie eins aus der jüngsten Vergangenheit (dazu gleich noch mehr). Das von Jamies Familie hängte ich an die Tafel, während ich die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs, die ich gesammelt hatte, erläuterte underklärte, wie sie miteinander zusammenhingen. Das zweite Foto war auf der Party zu meinem achtzehnten Geburtstag entstanden, die Cora Ende Mai für mich organisiert hatte. Ich hatte ihr noch eingeschärft, kein großes Tamtam zu machen, was sie natürlich ignoriert hatte. Im Gegenteil, sie bestand darauf, ich solle alle einladen, die ich gern dabeihätte, weil man so einen wichtigen Geburtstag einfach feiern
musste
.
    Auf dem Foto steht die ganze Geburtstagsgesellschaft am Teich. Ich in der Mitte, zwischen Olivia und Cora. Jamie ist leicht verwackelt, weil er es fast nicht rechtzeitig geschafft hätte, zu uns zurückzurennen, nachdem er den Selbstauslöser der Kamera betätigt hatte. Aber immerhin   – da steht er, neben Harriet, die mich anschaut und lächelt. Und neben ihr Reggie, der wiederum sie anschaut   – was sonst? Neben den beiden sieht man eine strahlende Laney sowie Gervais. Er ist der Einzige auf dem Bild, der einen Teller Kuchen in der Hand hält und genüsslich vor sich hin mampft. Dieses Foto ist genauso wenig perfekt wie das von Jamies Familie, das ich monatelang aufmerksam studiert hatte. Aber in dem Moment, wo die beiden Fotos jeweils entstanden, zeigten sie genau das, was war. Und was sein sollte.
    Außerdem hatte sich, wie bei Jamies Familie über die Jahre, seitdem schon etwas Entscheidendes verändert, sodass mein Geburtstagsfoto   – würde es heute entstehen   – jetzt bereits anders aussähe als Ende Mai. Was wir zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht wussten. Wir erfuhren es erst ein paar Wochen später. Ich wollte gerade zur Schule fahren, als ich mitkriegte, dass meine Schwester auf ihrem Bett saß und weinte. Wieder mal.
    »Cora?« Ich ließ meinen Rucksack fallen, setzte mich neben sie. »Was hast du?«
    Sie
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