Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby
Autoren: S Dessen
Vom Netzwerk:
stand am Teich, wo ich seit Neuestem sehr viel Zeit verbrachte. Genauer gesagt, seit dem Tag vor ein paar Monaten, als ich von der Arbeit nach Hause gekommen war und Jamie und Cora in der Eingangshalle standen. Sie steckten wegen irgendetwas, das Jamie in der Hand hielt, die Köpfe zusammen.
    »Jamie! Leg das weg«, hatte Cora gesagt.
    »Ich mache ihn doch gar nicht auf. Ich gucke bloß.«
    »Jetzt lass es endlich!«
    Ich stellte mich direkt hinter sie. »Was treibt ihr denn da?«
    Cora fuhr erschrocken zu mir herum. »Nichts, wir haben   –«
    »Du hast einen Brief von der Uni.« Jamie hielt einen Briefumschlag   – jetzt konnte ich nämlich sehen, um was es sich handelte   – in die Höhe. »Ich habe ihn vor etwa einer Stunde aus dem Briefkasten gefischt. Und wir kommen beinahe um vor Neugier.«
    »Jamie kommt beinahe um«, meinte Cora lapidar. »Mir geht es blendend.«
    Ich trat noch näher, nahm Jamie den Umschlag aus der Hand. Ich hatte so viel über dicke beziehungsweise dünne Briefe gehört und gelesen, was welcher Umfang bedeutet. Dieser war   – typisch   – weder das eine noch das andere, auf jeden Fall nicht sehr voluminös, aber auch nicht das Gegenteil davon, sondern irgendetwas dazwischen.
    »Für eine Absage braucht man nicht mehr als eine Seite«, meinte Jamie, als hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen. »Ach was, ein Wort. Ja, es ist letztendlich nur ein einziges Wort.«
    »Jetzt ist aber Schluss, Jamie!« Cora schlug ihn scherzhaft. »Hör endlich auf!«
    Bevor Jamie protestieren konnte, legte Cora ihm die Hand auf den Mund. »Das reicht.« Und, an mich gewandt: »Viel Glück!«
    Das war im April gewesen. Das Gras war nicht mehr braun und stoppelig, sondern grün. Die Bäume blühten, ließen jede Menge Pollen fliegen. Als ich zum Teich ging, wehte ein angenehm leichter Wind. Ich hielt den Brief erstaunlich lässig in der Hand, trat ans Ufer, von wo aus ich mein Spiegelbild im Wasser erkennen konnte, und riss den Umschlag auf.
    Ich wollte die Blätter gerade auseinanderfalten, als ich urplötzlich aus dem Augenwinkel etwas bemerkte. Eine Bewegung, so leicht, rasch, schnell, dass ich mich einen Moment lang fragte, ob ich mich nicht doch getäuscht hatte. Ich trat noch näher, spähte angestrengt in das trübe Wasser, an den blühenden Iris und Felsen und Algen vorbei. Und da   – nein, ich hatte mich nicht geirrt!   – war es wieder. Ein weißes Aufblitzen, ein verschwommenes Vorbeihuschen. Es gab auch noch andere, die tief unten ihre Kreise zogen, golden und getüpfelt und schwarz. Doch den weißen Fisch   –
meinen
Fisch   – hatte ich als Allererstes gesehen. Ich holte tief Luft. Entfaltete den Brief.
    Sehr geehrte Frau Cooper
, stand dort,
wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können . . .
    Intuitiv drehte ich mich um. Blickte Richtung Terrassentür. Es überraschte mich nicht weiter, dass sowohl Jamie als auch Cora dort standen, mich beobachteten. Jamie öffnete die Tür, steckte den Kopf hindurch. »Und?«, fragte er.
    »Gute Nachrichten«, antwortete ich.
    »Echt?« Cora legte freudig erstaunt die Hand auf den Mund und machte ganz große Augen.
    Ich nickte. »Außerdem sind die Fische wieder da. Kommt, schaut euch das an.«
    Inzwischen hatten wir Juni, und es gab noch viel mehr Fische, die um die Lilien und Wassergräser herum ihre Kreise zogen. Über ihnen, auf der Wasseroberfläche, schwebte mein Spiegelbild: mein Haar fiel locker über meine Schulter, ich trug den berühmten schwarzen Umhang, hielt das dazu passende Barett in der Hand. Plötzlich fuhr eine Brise durch den Garten, sodass die Blätter über mir raschelten und sich vor mir kleine Wellen ausbreiteten. Roscoe, der neben mir im Gras hockte, schloss die Augen.
    Ich hatte mich immer noch nicht ganz daran gewöhnt, dass meine Schlüsselkette nicht mehr da war, was mir vor allem dann auffiel, wenn ich mich im Spiegel anschaute. Selbst in diesem Moment war mir ihr Fehlen bewusst, die Leere an einer Stelle, wo ich so lange etwas Altvertrautes wahrgenommen, auf meiner Haut gespürt hatte. Doch vor ein paar Tagen hatte ich in einer Schublade zufällig Nates Geschenk zum Valentinstag wiedergefunden. Als wir das nächste Mal miteinander telefonierten, meinte er, ich solle es endlich aufmachen. Ich tat es und merkte, dass er wieder einmal gewusst hatte, was ich brauchte, noch bevor es mir selbst klar geworden war. Denn in der hübsch verpackten kleinen Schachtel lag ein Paar mit roten Steinen besetzte Ohrringe in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher