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Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand
Autoren: E Kneifl
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Prolog
Amarillo, Texas, Oktober 1992
    Vollmond über Texas. Die untergehende Sonne verwandelte den Mond in einen prallen roten Ballon. Das Pärchen in dem weißen Trailer würdigte das prächtige Schauspiel am Himmel keines Blickes.
    Rita und Max Kafka waren zehn Stunden lang durchgefahren. Obwohl sie sich am Steuer abgelöst hatten, fühlten sich beide wie gerädert.
    Am frühen Abend erreichten sie Amarillo. Die Stadt, im Westen Texas’ gelegen, erschien ihnen nicht gerade sehenswert. Sie hielten beim nächsten Supermarkt und kauften fürs Abendessen ein.
    Der schwarze Chevy, der seit ihrem letzten Stopp an einer Tankstelle hinter ihnen hergefahren war, blieb ebenfalls auf dem riesigen Parkplatz stehen. Keiner der beiden Männer stieg aus.
    Während Max die Einkäufe im Trailer verstaute, warf Rita einen neugierigen Blick auf den Chevy. „Ich habe gedacht, amerikanische Männer wären emanzipierter als europäische. Aber die sitzen bloß blöd im Auto herum und lassen ihre Frauen allein schleppen. Wahrscheinlich ist Einkaufen unter ihrer Würde.“
    „Diese Texaner sind eben noch richtige Männer“, sagte Max grinsend.
    Max Kafka war ein groß gewachsener, grauhaariger Mann Mitte fünfzig. Bis vor kurzem hatte er in der Druckerei eines großen österreichischen Verlages gearbeitet. Als die Sozialdemokratische Partei ihre Tageszeitung und zugleich den Verlag eingestellt hatte, war er, so wie alle anderen Mitarbeiter, entlassen worden. Mit der Abfertigung hatte er sich den größten Wunsch seines Lebens erfüllt: eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten, von Chicago nach Los Angeles, auf der legendären Route 66 oder zumindest auf dem, was davon übrig war. Seine Frau war von dieser Idee sehr angetan gewesen. Ihr als Zigeunerin liege das Herumfahren ohnehin im Blut, hatte sie lachend gesagt. Allerdings hatte sie darauf bestanden, die Reise in einem bequemen Wohnmobil zurückzulegen anstatt auf dem Rücksitz einer Harley Davidson, wie es ursprünglich Max’ Plan gewesen war. Es wurde nicht lange diskutiert, Max kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, dass sie in wichtigen Fragen meist ihren Kopf durchsetzte.
    Von Amarillo aus fuhren sie nun weiter Richtung Westen bis zur Cadillac Ranch. Es war zu dunkel, um mehr als die Silhouetten der alten Cadillacs zu erkennen, die senkrecht – nur die Hecks ragten heraus – in die Erde versenkt worden waren.
    Auf ihrer Straßenkarte war in der Nähe des skurrilen Autofriedhofs ein Self-Service-Campingplatz eingezeichnet. Sie folgten den Schildern. Die Gegend wurde unwirtlicher, die Straßen schlechter. Keine Häuser weit und breit. Plötzlich tauchten im Mondlicht silbern schimmernde Aluminiumdächer auf.
    Max warf ein paar Dollar in den Schlitz eines Kästchens am Eingang des Campingplatzes. Der Schranken öffnete sich automatisch.
    Er parkte das Wohnmobil in der Nähe der schwach beleuchteten Sanitäranlagen.
    Kein anderer Wagen war zu sehen.
    „Wir sind anscheinend die Einzigen hier.“ Max klang nicht gerade begeistert.
    „Na und? Das ist doch toll! Oder bist du nicht mehr gern allein mit mir?“ Rita zwinkerte ihm kokett zu. „Schau, hier gibt es sogar Waschmaschinen und einen Getränkeautomaten. Diese Amis haben für alles Automaten. Wie praktisch!“
    Max blickte sich um. „Ich weiß nicht, ich hab so ein mulmiges Gefühl. Sollen wir uns nicht lieber einen etwas belebteren Platz suchen?“
    „Was ist denn los, mein kleiner Angsthase?“, neckte Rita ihren Mann, der um mindestens einen Kopf größer war als sie. „Ich kann keine Minute länger mehr sitzen. Mir tut das ganze Gestell weh. Dir nicht auch? Gib’s zu. Soll ich dich nachher ein bisschen massieren?“
    Vielleicht war es die Aussicht auf eine ihrer wundervollen Massagen oder einfach nur seine Gutmütigkeit, jedenfalls gab er nach. „Wie du meinst, mein Schatz.“
    Sie teilten sich ein Coke, bevor Rita die Schmutzwäsche zusammenpackte und hinüber zum Waschsalon brachte.
    Die Nacht war sternenklar. Es war kühl geworden.
    Max stellte den kleinen elektrischen Grill im Freien auf. Mithilfe eines Verlängerungskabels schloss er ihn am Stromkästchen neben ihrem Stellplatz an und legte zwei Steaks und zwei große, in Hälften geteilte Kartoffeln darauf.
    Als Rita zurückkam, schienen die Steaks halb durch zu sein. Die Kartoffeln fühlten sich ziemlich hart an.
    Max öffnete eine Flasche Rotwein, schenkte seiner Frau und sich selbst ein und stieß mit ihr an.
    „Zu blutig?“, fragte er nach dem
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