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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust
Autoren: Robin Schone
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Mädchenjahre verlieren würde. Das war es, worauf die letzten sechs Monate hinausgelaufen waren. Wohin die rasende Auktion unten geführt hatte. Die Zukunft stand vor ihr.
    Sie wusste nicht, was jenseits dieses Augenblicks, dieser Nacht lag.
    Sie wusste nicht, als was sie am nächsten Tag erwachen würde: als Victoria, die Frau, oder als Victoria, die Prostituierte. Die Angst, die sie während der Auktion in Schach gehalten hatte, überschwemmte sie in einer schwarzen Woge schierer Panik.
    Sie hatte gelogen, als sie sich sagte, eine Frau, die ihren Körper verkaufe, behalte die Kontrolle: Victoria hatte die Kontrolle nicht, der Mann mit den silbernen Augen hatte sie.
    Und er wusste es.
    »Ich kenne Ihren Namen nicht«, platzte sie heraus. Ihr Haar drückte schwer wie ein Amboss auf ihren Körper.
    »Nicht, Mademoiselle?«, fragte er leise, verführerisch.
    Victoria öffnete den Mund, um zu antworten, sie könne unmöglichseinen Namen kennen: Frauen wie sie bewegten sich nicht in denselben Kreisen wie Männer wie er.
    Stattdessen fragte sie: »Finden Sie mich begehrenswert?
    Morgen würde sie bei der Erinnerung an ihre Frage entsetzt sein. Aber nicht jetzt.
    Kein Mann hatte ihr je gesagt, sie sei begehrenswert.
    Achtzehn Jahre lang hatte sie sich unscheinbar frisiert und gekleidet, um nicht die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen und ihre Stellung zu verlieren. Nur um sie doch zu verlieren. Ihre Stellung. Ihre Unabhängigkeit. Ihre Selbstachtung.
    Sie gab diesem Mann ihre Jungfräulichkeit, auch wenn er dafür bezahlte.
    Sie musste von ihm hören, dass er sie begehrenswert fand.
    Sie musste wissen, dass eine Frau in ihrer Geschlechtlichkeit eben solchen Wert besaß wie in ihrer Tugendhaftigkeit.
    Der Kronleuchter über ihrem Kopf flackerte und brannte in silbernen Augen, ein Spiegel der Trostlosigkeit ihrer Seele. Victorias Herzschlag zählte die verrinnenden Sekunden …
    Wenn er sie erniedrigte …
    »Ja, ich finde Sie begehrenswert«, sagte er endlich.
    Er log. Schmerz erblühte zu plötzlichem Zorn. »Nein, das tun Sie nicht«, fuhr Victoria auf.
    Er wollte, was auch die anderen wollten: ein Stück Fleisch, statt einer Frau.
    Die glänzenden Lichter, die in seinen Augen funkelten, verloschen. »Woher wissen Sie, was ich empfinde, Mademoiselle?«
    Blut trommelte in Victorias Brüsten und Schenkeln und spornte sie an: »Würden Sie mich begehren, Sir, dann säßen Sie nicht da und starrten mich an, als wäre ich mit Ungeziefer verseucht. Ich bin genauso sauber wie Sie.«
    Genauso wertvoll wie er. Die Stille, die ihn umgab, dehnte sich aus, bis sie die Luft verschlang.
    »Warum sollte ich Sie ersteigern, wenn ich Sie nicht begehre?«, fragte er leise.
    »Sie haben mich nicht gesehen«, erklärte Victoria, vergeblich bemüht, ihrer rasenden Gefühle Herr zu werden. Das hatte sienicht herausgefordert . »Wie können Sie etwas begehren, was Sie nicht sehen?«
    Wie konnte sie sich nach etwas sehnen, was sie noch nie erlebt hatte? Aber sie sehnte sich danach.
    Insgeheim hatte sie davon geträumt, dass ein Mann sie als die Frau lieben würde, die sie war, und nicht als Inbegriff der Tugend, die zu verkörpern sie sich gezwungen hatte. Dieser Traum war nun dahin. Kein Mann würde sie je lieben: Männer liebten keine Huren.
    Der Mann vor ihr saß still wie eine Statue mit unverwandtem Blick. Hatte er je geliebt? War er je geliebt worden?
    »Was glauben Sie, weshalb ich Sie ersteigere, wenn ich Sie nicht haben will?«, fragte er in betörend zärtlichem Ton.
    In seinen Augen lag keine Zärtlichkeit. Aber Victoria wollte dort Zärtlichkeit sehen. Sie wollte, dass ihm an ihr lag …
    Nach dieser Nacht wäre sie nicht mehr dieselbe. Sie brauchte jemanden, der der alten Victoria Childers nachtrauerte und die neue begrüßte.
    »Manche Männer glauben, dass man die Pocken heilen kann, indem man eine Jungfrau nimmt«, behauptete sie kühn, um eine Emotion – irgendeine Reaktion – von diesem Mann zu provozieren, der in seinem ganzen Leben keinen Tag Hunger erlebt hatte.
    Es gelang ihr.
    Seine silbernen Augen verengten sich. »Ich habe nicht die Pocken, Mademoiselle.«
    Victoria schreckte vor der Drohung in seinem Tonfall und seinen Augen nicht zurück.
    »Ich auch nicht, Sir«, sagte sie scharf.
    Gefahr lag in der Luft.
    »Was wollen Sie, Mademoiselle?«, fragte er leise.
    Sie wollte, was jede Frau wollte.
    »Ich will, dass ein Mann mich will statt meiner Jungfräulichkeit«, sagte Victoria heiser.
    »Sie wollen, dass
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