Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust
Autoren: Robin Schone
Vom Netzwerk:
meinte.
    »Verzeihung?«
    »Ihre Knospen sind hart, Mademoiselle. Ich habe mich nur gefragt, ob Sie auch nass vor Verlangen sind.«
    Victoria hielt ihre Hände seitlich am Körper, plötzlich war sie sich der Wolle bewusst, die sich mit jedem Atemzug an ihren Brustwarzen rieb. Der kastanienbraune Teppich, die hohe weiße Decke und die in blassem Blau gestrichenen Wände schluckten die Geräusche der Freier und Prostituierten, die sich dahinter paarten; sie konnten jedoch die Bilder nicht abwehren, die seine Worte zwangsläufig heraufbeschworen.
    Von Männern und Frauen.
    Die sich umarmten. Küssten. Berührten.
    Sich windende nackte Körper.
    Die Lust gaben. Lust empfingen.
    Bei all jenen fleischlichen Akten, nach denen anständige Frauen kein Verlangen verspürten. Das hatte sie zumindest glauben wollen. Die letzten sechs Monate hatten sie eines Besseren belehrt.
    »Meine Brustwarzen sind hart, weil es draußen kalt ist«, erklärte sie kurz angebunden.
    »Aber hier drinnen ist es nicht kalt. Angst, Mademoiselle, ist ein starkes Aphrodisiakum. Haben Sie Angst?«
    »Ich bin Jungfrau, Sir.« Sie straffte ihren Rücken; ihre Brustwarzen stachen in ihr wollenes Mieder. »Ich habe noch nie einen Mann in mich aufgenommen. Ja, ich habe Angst.«
    »Wie alt sind Sie?«
    Victorias Herz stockte. Sah sie älter oder jünger aus, als sie war, fragte sie sich. Sollte sie lügen oder die Wahrheit sagen? Was wünschte ein Mann wie er sich von einer Frau?
    »Ich bin vierunddreißig Jahre alt«, sagte sie schließlich zögernd.
    »Sie sind kein junges Mädchen mehr.«
    »Und Sie sind kein junger Mann mehr, Sir«, erwiderte sie. Victoria kniff die Lippen zusammen, zu spät, ihre Worte hallten zwischen ihnen wider.
    »Nein, ich bin kein junger Mann mehr, Mademoiselle«, sagte er gleichmütig. »Aber ich bin sehr neugierig, warum Sie sich in Ihrem Alter entschlossen haben, sich heute Nacht im Haus Gabriel von Ihrer Jungfräulichkeit zu trennen.«
    Hunger. Verzweiflung. Aber ein Mann wie er würde von Armut nichts hören wollen.
    Victoria versuchte es mit Koketterie. »Vielleicht weil ich wusste, dass Sie heute Abend hier sein würden. Sie sind sehr schön, wissen Sie. Das erste Mal sollte eine Frau mit einem Mann wie Ihnen zusammen sein.«
    Das Kompliment misslang. Victoria war keine kokette Person.
    »Ich könnte Ihnen wehtun«, sagte er sanft.
    Sein Blick hatte nichts Sanftes.
    »Ich bin mir durchaus im Klaren, was ein Mann einer Frau antun kann.«
    »Ich könnte Sie töten, Mademoiselle.«
    Victorias Herz schlug gegen ihre Rippen.
    »Sind Sie so kräftig gebaut, Sir?«, fragte sie höflich.
    Wollte fliehen. Wollte kämpfen. Wollte die Nacht hinter sich bringen, um die Scherben ihres Lebens zusammenzukehren.
    »Ja, Mademoiselle, ich bin kräftig gebaut«, sagte er nachdrücklich und musterte sie aufmerksam aus silbergrauen Augen. »Ich bringe es auf eine Länge von über neun Zoll. Warum haben Sie im Saal Ihren Umhang nicht ausgezogen?«
    Brennende Holzscheite knackten.
    Über neun Zoll , zwischen ihre Schenkel gestoßen.
    Das Bild eines männlichen Geschlechts – dunkle Venen, karmesinrote, vortretende Eichel – blitzte vor Victorias Augen auf. Es wurde überlagert vom Bild des Innenministers Lord James Ward Hunt, Earl of Goldburn … Zieh den Umhang aus, Mädchen, und zeig uns, was du zu bieten hast.
    Sonntags dinierte der Innenminister mit ihrem Vater; während der Woche verunglimpfte er vor dem Oberhaus liederlicheFrauen – das »schwache Geschlecht« – in dem ständigen Bemühen, die Londoner Straßen von Prostitution zu säubern. Sie fragte sich, ob ihr Vater vom nächtlichen Treiben seines Freundes wusste. Sie fragte sich, ob ihr Vater es ihm gleichtat.
    Nichts war mehr so, wie sie noch vor sechs Monaten geglaubt hatte: nicht die so genannten achtbaren Männer und Frauen, nicht die Bürger auf den Londoner Straßen und vor allem Victoria nicht.
    Ihr Leben lang war sie vor Begierden zurückgescheut; jetzt konnte sie ihnen nicht mehr entrinnen.
    »Ich sah keinen Nutzen darin, mich öffentlich zur Schau zu stellen«, erklärte Victoria hölzern. »Von Wert ist meine Jungfräulichkeit, nicht mein Äußeres.«
    »Hatten Sie Angst, dass die Männer Sie nicht attraktiv finden könnten?«
    Sie hatte Angst, dass man sie erkennen könnte.
    »Schönheit habe ich nicht angeboten«, sagte sie abwehrend. Und biss sich auf die Lippen, weil sie sich zu einer Gefühlsregung verleiten ließ.
    Damen zeigten in der Öffentlichkeit keine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher