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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Autoren: Federico Baccomo
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verstehen. Wir gönnen uns gerade so viel Ablenkung, wie nötig ist, um einen Tropfen Cola zu trinken (warm) und nachzuschauen, ob es zu regnen aufgehört hat (nein) oder ob uns jemand eine SMS geschickt hat (niemand). Die Kopfschmerzen lasten wie ein drückender Heiligenschein auf uns. Die Glieder flehen darum, sich ausstrecken zu dürfen. Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare und komme auf zehn, als ich zähle, wie viele zwischen meinen Fingern hängen geblieben sind.
    Tiziano, mein Praktikant, hat sich zurückgezogen, um seine Freundin anzurufen. Als er das Zimmer verließ, sah ich auf seinem Gesicht den Schatten einer tiefen Traurigkeit. Er ist der Einzige, der noch sein Jackett trägt. Ich habe sogar meinen Schlips abgelegt und esse ein Stück kalte Pizza mit Radicchio, das ich zwischen den Resten vom Abendessen gefunden habe. In meinem Kopf überschlagen sich die entscheidenden Fragen des Lebens: Wer bin ich? Wie bin ich nur hier gelandet? Welcher Idiot hat Pizza mit Radicchio bestellt?
    Am Tiefpunkt meiner Grübeleien angelangt, habe ich nicht einmal gemerkt, dass Timothy, der englische Anwalt, nicht mehr den Vertrag studiert, sondern mich streng anschaut. Mühsam hebe ich die Lider und deute mit dem Kinn einen fragenden Gesichtsausdruck an.
    » Ainidtuspicuidmaiclaients «, antwortet er.
    Da erwischt er mich glatt auf dem falschen Fuß. »Sorry?«, stammle ich, und Timothy wiederholt den Satz im selben Tonfall und mit derselben Geschwindigkeit.
    »Er sagt, dass er mit seinen Mandanten reden muss«, flüstert mir Tiziano ins Ohr, der irgendwann von seinem Telefonat zurückgekehrt sein muss.
    »Hä? Ach so! Klar, das habe ich kapiert, was denkst du denn?«, sage ich und setze mich gerade hin. »Ich musste nur kurz darüber nachdenken.«
    Da gab es allerdings nichts nachzudenken.
    Ich hatte um die Streichung einer bestimmten Vertragsklausel gebeten, und meine Erschöpfung war für Entschlossenheit gehalten worden. Der Anwalt der Gegenpartei hatte sich Zeit genommen, um die Sache abzuwägen, und während sein Mitarbeiter noch besorgt seinen mittlerweile perfekt ondulierten Schopf betastete, hatte er das Ganze auf den Punkt gebracht: Er muss mit seinen Mandanten reden. Die Sitzung ist aber vorbei, und man wird sie wohl kaum auftreiben können, die beiden Deutschen, die von wer weiß welcher Bar in Milano by night verschluckt worden waren und zu wer weiß welchem Preis an wer weiß welchen Brüsten herumgrabschten.
    Ich tue genervt und kratze mich nachdenklich an der Wange, aber innerlich male ich mir schon aus, wie ich in einer Oase aus Laken und Kissen versinke. Schnell stehe ich auf, schaue Tiziano überheblich an und beschließe, ein für alle Mal meine Sprachkompetenz unter Beweis zu stellen. Mit einem emphatischen »Okay« trumpfe ich auf.
    »Tippi Hedren«, füge ich hinzu. »Die blonde Schauspielerin heißt Tippi Hedren.«
    Tiziano schaut sich um und scheint sich für einen Moment zu fragen, wo man hier am schnellsten rauskommt.
    Ich trete über die Schwelle meiner Wohnung.
    Meine Schuhe ziehe ich aus, ohne sie aufzuschnüren. Jackett und Hose werfe ich aufs Bett und trage nur noch meine Unterhose. Ich habe Hunger und öffne den Kühlschrank. Die Berechnung der möglichen Nahrungsmittelkombinationen ergibt: Tunfisch und Bier. Ich öffne eine Dose Tunfisch, schütte den Inhalt auf einen ungespülten Teller, mache das Bier auf und setze mich an den Tisch. Mir gegenüber meine treue Freundin, die Wand. Was gibt’s Neues, Wand? Wie war dein Tag? Da schweigst du, was? Du gefällst mir, Wand. Du bist friedlich und still.

2
    »Und, Endru, wie war es gestern?«
    Giuseppe war, ohne anzuklopfen, in mein Zimmer getreten. Er hat einen Kaffee in der Hand und betrachtet mich mit einem glücklichen Lächeln. »Na, das sind ja üble Augenringe.«
    Giuseppe ist einer der wichtigsten Partner der Kanzlei.
    Giuseppe ist einer der angesehensten Anwälte in den einschlägigen Kreisen, auch wenn sich noch niemand die Mühe gemacht hat, die einschlägigen Kreise näher zu bestimmen.
    Vor allem aber ist Giuseppe mein Chef (»Für dich, Endru, möchte ich allerdings in erster Linie ein Vorbild sein«, hatte er mir an einem meiner ersten Arbeitstage gesagt und sich mit dem kleinen Finger im Ohr herumgepult).
    »Sagen wir mal, es ist gut gelaufen«, antworte ich lächelnd.
    »Hast du ihn in den Arsch getreten? Sag mir, dass du ihn in den Arsch getreten hast.« Giuseppe zerquetscht fast den Stift in seiner Hand.
    »Na ja, die
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