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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Autoren: Federico Baccomo
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Ich hoffe nur, dass …«
    Nicola steht auf, geht zu seinem Mantel, der am Garderobenständer hängt, nimmt ein Papiertaschentuch, schnäuzt hinein, studiert ausgiebig das Ergebnis und setzt sich wieder.
    »Aber … Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Was? Ach so, sorry. Ich musste mir die Nase putzen. Alles so weit in Ordnung also, sagst du?«
    Ich nicke zustimmend, stehe auf, verlasse das Zimmer und gehe zur Kaffeemaschine, wo sich, dicken Brummern gleich, ein paar Kollegen versammelt haben. Sie beäugen wachsam die Kaffeepads und unterhalten sich über die Krise der Märkte und die Titten der Nachttelefonistin. Auf beiden Gebieten zeichnen sie sich durch beachtliche Kenntnis der jüngsten Entwicklungen aus. Die Märkte gelten als instabil, in die Titten hat man schon mehr Vertrauen.
    Ich nehme mein Becherchen, rühre Zucker unter, trete zur Seite und überlasse mich meinen Gedanken, während mich die Gespräche wie Sinfonien umspülen.

Auf einen Kaffee
    »Du siehst müde aus.«
    »Ja, schon. Ich arbeite ziemlich viel. Anstrengende Phase.«
    »Das Kind?«
    »Oh, das wächst und gedeiht, du müsstest es mal sehen. Blond, lebhaft.«
    »Und wie geht es Anna? Sie lässt sich ja gar nicht mehr blicken.«
    »Der geht es gut. Sie hat soeben die Scheidung eingereicht.«
    »Perfekt. Na ja, es tut mir natürlich leid, aber einer meiner Freunde ist Scheidungsanwalt, der kann das übernehmen. Ich werde ihn dir vorstellen. Kleiner oder großer Kaffee?«
    »Groß. Ich bin so müde, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«

3
    Ich trinke meinen Kaffee aus. Die Menge an der Kaffeemaschine hat sich vergrößert. Überschwängliche Begrüßungen, Klatsch, Wie geht’s uns so ?, Hast du heute Morgen IlSole gelesen ?, Jetzt hab ich mir doch glatt die Krawatte versaut . In aller Munde ist eine E-Mail über den Berufsstand der Anwälte, die heute Morgen rumgegangen ist, eine dieser bitter-ironischen Mails, die unsere Arbeitswelt in den düstersten Farben schildern.
    »Hahaha, Kinder, genauso sind wir. Kannste drauf spucken.«
    »Allesamt ein Stück Scheiße, hahaha.«
    »Und die Sache mit den Ehefrauen!«
    »Die ist großartig!«
    »Besonders die mit der Frau von Maurizio, der aus dem employment .«
    »Was? Davon weiß ich ja gar nichts. Was hat seine Frau denn getan?«
    »Ist schwanger und sagt nichts, treibt einfach ab. Er findet es heraus, man weiß nicht, wie, möglicherweise hat er einen anonymen Anruf bekommen. Jedenfalls ist er stinksauer und beruft sich auf sein Recht mitzuentscheiden, zu fünfzig Prozent, genau das hat er gesagt, Zu fünfzig Prozent ist das auch meine Entscheidung , und sie erklärt ihm, Die fünfzig Prozent kannst du dir sonstwohin stecken , wohin, könnt ihr euch ja denken, weil es nämlich gar nicht von dir war .«
    »Hahaha.«
    »Hahaha, das hat sie wortwörtlich gesagt.«
    »Was seid ihr nur für Idioten, dass ihr über so etwas lacht, hahaha!«
    »Hahaha, das sagt der Richtige.«
    »Du lachst gar nicht, Andrea? Hast du die Mail nicht gelesen?«, fragt mich Ernesto, ein junger Anwalt aus Salerno, der sein Büro neben dem meinen hat, und wischt sich eine Träne aus dem Gesicht.
    »Doch, doch, schön«, sage ich geistesabwesend. »Ich hatte sie schon mal bekommen. Sehr schön, wirklich.«
    Ich schütte mir ein Glas Wasser ein und gehe.
    Wenn ich sie so sehe, wie sie sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und über meinen Missmut lachen, frage ich mich, ob irgendetwas mit ihnen nicht stimmt, mit mir, mit uns allen. Irgendetwas ist da alles andere als normal. Andererseits frage ich mich, Was heißt schon normal ? Kenne ich wirklich jemanden, der sich als normal bezeichnen würde? Und wie soll diese Normalität überhaupt aussehen? Wir alle pflegen unsere kleinen Verrücktheiten, sie und ich auch. Erleichtert trinke ich in einem Zug das Glas aus und komme gerade rechtzeitig ins Büro zurück, um zu sehen, dass Nicola sich zwei Bleistifte in die Nase gesteckt hat.
    »Hab ich doch Recht gehabt. Hier drinnen ist Normalität bestenfalls ein Accessoire. Darf man mal wissen, was du da tust?«
    Nicola reißt mit einer brutalen Geste die Bleistifte aus den Nasenlöchern. Dann beugt er sich über ein Schriftstück, das er willkürlich heranzieht, und nickt vor sich hin.
    Mit Nicola teile ich das Büro, und ich bin froh darüber. Einen besseren Büronachbarn könnte ich mir kaum wünschen: bescheiden, schweigsam, ein wenig abweisend vielleicht, aber in jedem Fall ehrlich. Er hat mir sofort gefallen, als ich vor drei
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