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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Autoren: Federico Baccomo
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durchgemacht habe, würdest du sofort begreifen, wie kompliziert das Leben ist und wie viele Volten das Schicksal schlägt. Oft sind Entscheidungen nur ein Weg, sich um Entscheidungen herumzudrücken.«
    »Giuseppe.« Ich zog die Augenbrauen hoch. »Das habe ich … glaube ich … nicht ganz verstanden.«
    »Immerhin, Endru …«, Giuseppe sprang auf und schlug mit den Knöcheln auf den Tisch, »… bist du mein Mitarbeiter.«
    »Nein«, sagte ich eher zu mir selbst. »Nicht mehr.«
    »Aber sicher doch.« Giuseppe atmete so tief ein, dass er sich die Lungen zu verbrennen schien. »Du hast dich also entschieden? Du hast die gewiss wohlüberlegte Entscheidung getroffen, deine Zukunft mit Füßen zu treten? Wahrlich eine weise Entscheidung. Dann geh doch, Andrea . Geh, geh. Aber wohin?«
    Das closing des Dreifürzwei-Project und weitere durchwachte Nächte, Abschluss von offenen Vorgängen und Übergabe von anderen, dann ein Sonntag, an dem ich gepackt und mein Auto mit Kisten beladen habe … Fast zwei Monate sind noch vergangen, bis ich einen zugeklebten Umschlag mit dem Kanzleiausweis und meinem Blackberry in eine Schreibtischschublade legte. Ich blieb stehen, um den leeren Schreibtisch zu betrachten, den Schreibtischstuhl, die Schreibtischlampe, die Korktafel an der Wand.
    Dann drehte ich mich um.
    Und jetzt?
    Giovannino hat gesagt, dass ich zum falschen Zeitpunkt gehe, dass man einen Schub frisch examinierter Praktikanten erwarte und ich mir die erst hätte anschauen sollen, bevor ich voreilige Entscheidungen treffe. Nicola hat mit den Achseln gezuckt, aber es war offensichtlich, dass er betroffen war. Erst als er erfuhr, dass Federica aus dem zweiten Stock meinen Platz einnehmen würde, konnte er der Veränderung etwas abgewinnen. Tiziano hat mir versichert, dass ich für ihn immer der große Meister bleibe. Dann hat er mir anvertraut, dass seine Freundin sich wieder eine Beziehung vorstellen könne, dass er sich aber nicht darauf einlasse. Er müsse an die Arbeit denken und sein Leben in die Hand nehmen, erklärte er, um schließlich noch etwas über den verlorenen Sohn verlauten zu lassen, und dass er persönlich ein Kalb für mich schlachten würde. Cardellini konnte sich ein paar Freudensprünge kaum verkneifen, hat dann aber nur geseufzt: »So ist es recht. Ich nehme deine Kapitulation an. Ehrlich gesagt denke ich, dass ich dir nie hätte verzeihen können.« Was Giuseppe betrifft, so hat er mir die Hand gedrückt, hat mit verkniffener Miene den Kopf geschüttelt und Endru gesagt, ein einziges Mal noch. So gab es für ihn noch eine weitere Schlussbilanz in Zusammenhang mit jener von Zeus Investments.
    Und jetzt?
    Jetzt bin ich in London, vor dem Sitz der Meyon & Tolsen Bank, ein hohes, halbrundes Glasgebäude, das an einem Platz liegt, auf dem es von Männern in schlecht sitzenden Jacketts und pastellfarbenen Krawatten wimmelt. Ich setze mich auf eine leere Bank vor einem Pub, nehme eine Zeitung, die jemand hat liegen lassen, und behalte den Eingang der Bank im Auge. Aus dem Pub fällt warmes, violettes Licht auf die Straße. Die gewittrige Luft schluckt die Geräusche der Stadt. Ein Mädchen geht in eine Toreinfahrt und gibt Acht, dass ihr der Wind nicht unter den Rock fährt. Eine Alte an der Bushaltestelle rutscht auf der Bordsteinkante aus. Vor dem Starbucks ist ein schwarzes Paar in einen wüsten Streit ausgebrochen. Wachsende Menschenmassen versammeln sich auf dem Platz, Bierflaschen in der Hand. In der Dämmerung legt sich ein glänzender Schein auf die Gebäude. Der Wind beruhigt sich für einen Moment, dann bläst er wieder, und die Zukunft kommt mir auf banale Weise schön vor.
    Die Glastür der Bank öffnet sich für eine Gestalt in einem kurzen Kleid von japanischem Zuschnitt.
    Ich springe auf, die Hände an den Seiten. Die Zeitung rutscht auf den Boden.
    Lange Pause.
    Emily sieht mich.
    Sie schlägt die Hand vor den Mund.
    Dann fängt sie an zu lachen und läuft los, und als die ersten Regentropfen den Boden sprenkeln, steht sie still vor mir, und ich schaue sie an und weiß nicht recht, was ich tun soll, also breite ich die Arme aus und drücke sie an mich und denke an all die Dinge, die jetzt nicht mehr wichtig sind.
    »Es gibt etwas zu feiern«, sage ich schließlich und lockere die Umarmung ein wenig.
    Emily schaut mich an.
    »Ich habe keine Arbeit mehr«, antworte ich auf ihre stumme Frage.
    »Dann werde ich dich wohl einladen müssen, oder?«

Dank
    Dank an Jacopo De Michelis für sein
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