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Abenteurer sucht Frau fürs Leben

Abenteurer sucht Frau fürs Leben

Titel: Abenteurer sucht Frau fürs Leben
Autoren: NINA HARRINGTON
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waren Aquarelle einheimischer Wildblumen zur Weihnachtszeit immer sehr begehrt. Die Galerie hatte bereits angefragt, wann mit der nächsten Lieferung zu rechnen war. Es galt, schnell ans Werk zu gehen, um termingerecht liefern zu können – nun, da das Buchprojekt hinter ihr lag. Diese Phase war beendet. Aus und vorbei.
    Aber ich will nicht, dass es zwischen Kyle und mir vorbei ist. Ich will nicht ohne ihn leben!
    Wie hatte sie sich so schnell und so innig verlieben können? In einer anderen Welt hätten sie vielleicht eine Chance gehabt, miteinander glücklich zu sein. Sie wusste, was er dachte, und umgekehrt – sie verstanden einander, ohne sich erklären zu müssen.
    Allerdings hatte er sich ihr gegenüber keineswegs offen und ehrlich verhalten.
    Sie ließ die Schultern hängen und kniff einen Moment lang die Augen fest zu, bevor sie sich umdrehte und das Porträt ihrer Mutter betrachtete. An derselben Stelle hatte ihr Vater Tag für Tag gesessen – für immer vereint mit der Frau, die anscheinend noch immer die Macht besaß, ihr Leben zu beherrschen. Vor zehn Jahren hatte diese Frau beschlossen, ihren erschöpften jungen Kollegen nach einer harten Nachtschicht schlafen zu lassen. Eine einzige Entscheidung, die sie aus gutem Grund getroffen hatte. Und seitdem bestrafte sich Kyle dafür!?
    „Ach, Mum“, flüsterte Lili. „Sieh nur, was du getan hast! Du hast mir jemanden geschickt, den ich lieben kann. Dafür danke ich dir, aber kannst du mir vielleicht auch einen Weg aufzeigen, der ihn zu mir zurückbringt?“
    Dann schüttelte sie den Kopf darüber, dass sie so albern war und mit einem Gemälde redete. Sie wischte sich entschlossen die Tränen ab und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. In die Kunst konnte sie flüchten – die Malerei tröstete sie. Und sie hatte nie zuvor so dringend Trost gebraucht wie an diesem Tag.
    Schnell holte sie ihre Künstlermappe hervor und legte die erste Zeichnung vor sich auf den Tisch. Es war ein hübsches Stillleben von Pfingstrosen in zarten Gelb- und Grüntönen. Sicherlich ließ es sich gut verkaufen. Es war weder spannend noch gewagt, dafür aber klar und natürlich. Reizvoll in seiner Schlichtheit.
    Lili untersuchte die Zeichnung eingehend im hellen Tageslicht und stellte fest, dass die Bleistiftskizze durch die blasse Wasserfarbe schien und die Blätter im Verhältnis zu den Blüten viel zu groß ausgefallen waren. Es hätte Stunden gedauert, um die Fehler durch weitere Farbschichten zu korrigieren und dem Gemälde Struktur zu verleihen.
    In ihren Augen wies das ganze Bild plötzlich keinerlei Symmetrie mehr auf. Es wirkte flach und langweilig. Wo waren die satten und leuchtenden Farben, die Tiefe und die Lebendigkeit, die sie mit ihrem Bild hatte erschaffen wollen? Habe ich vollkommen versagt?
    Da das Bild einen breiten weißen Rand hatte und insgesamt nicht größer als ein gebundenes Buch war, hätte ein Betrachter die Schwachstellen vermutlich gar nicht bemerkt, aber sie selbst wusste, dass man sie nicht leugnen konnte.
    Was sie noch vor einigen Tagen hingenommen hätte, war ihr jetzt nicht mehr gut genug. Deshalb packte sie das Blatt an den oberen Ecken und riss es mit voller Kraft mittendurch – immer und immer wieder, bis der Tisch mit winzigen Schnipseln übersät war.
    Ihr Herz schlug höher, und auf ihr Gesicht trat ein Lächeln, als ein Gefühl der Erlösung in ihr aufstieg. Sie hatte sich befreit.
    Ich beschränke mich ab sofort nicht länger auf botanische Zeichnungen. Ich gehe auf die Kunstakademie und finde heraus, was ich wirklich kann!
    Sie räumte die Mappe fort und holte einen Skizzenblock ihres Vaters hervor, der doppelt so groß wie ihr eigener war. Gemächlich blätterte sie durch die alten Zeichnungen, an die sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte. Dabei fiel ein loses Blatt Papier heraus.
    Sie hob es auf. Ihr stockte der Atem, denn es war keine Zeichnung, sondern ein hauchdünner, mit blassblauer Tinte beschriebener Bogen Luftpostpapier. Sie erkannte die Handschrift ihrer Mutter. Auf den ersten Blick sah es nach einem der üblichen Briefe aus. Doch auf der Rückseite stand die Adresse von Taylor House . Das war ungewöhnlich. Sonst hatte Ruth immer beide Seiten mit winzigen Buchstaben gefüllt, um so viele Informationen wie möglich unterzubringen. Auch die Handschrift wirkte anders – kritzeliger und wackeliger und dadurch irgendwie eindringlicher.
    Lili holte tief Luft und begann zu lesen.
    Jetzt sind nur noch vier von uns übrig. Wir
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