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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Autoren: Meik Eichert
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Erfahrungen hatten wir uns natürlich eine Menge zu erzählen. Es herrschte eine wunderbar entspannte Atmosphäre. Neben uns am Tisch hatte sich Erika aus der Schweiz offenbar einen „neuen Freund“ angelacht. Seinen richtigen Namen kennt keiner, er selbst nennt sich Black Feather. Black Feather ist ein noch recht junger Mann aus Dänemark, spindeldürr und in Lumpen gekleidet. In seinen langen verfilzten Haaren steckt eine Schwarze Feder. Seit wir in Finisterre sind, sehen wir Black Feather tagein, tagaus auf einer Bank am Hafen sitzen. Nahezu bewegungslos starrt er unentwegt aufs Meer. Zwischendurch nutzt er die Bank als Liege für gelegentliche Schläfchen. Wenn es dunkel wird, packt er seinen Rucksack und verzieht sich in sein Übernachtungslager. Jeden Tag das Gleiche, seit über einer Woche. Er sitzt auf der Bank wie festgewachsen. Erika hatte schon vorgestern erstmals mit ihm gesprochen. Black Feather ist vor 5 Jahren mit unbekanntem Ziel von zuhause weggegangen und seitdem in vielen Ländern unterwegs gewesen, teilweise zu Fuß, überwiegend jedoch als Tramper. Er hat nie wieder zurück gefunden, ist inzwischen völlig entwurzelt und kann sogar nicht mehr in geschlossenen Räumen schlafen – Platzangst! Geld hat er schon lange keins mehr, hält sich aber irgendwie über Wasser. Was für eine eigentümliche Existenz, was für ein Weg! Wäre sicher eine interessante Sache, den Prozess seiner Entwicklung mal nachzuvollziehen, zu ergründen, was eine solch extreme persönliche Veränderung bewirkt hat. Erika findet nicht einmal, dass er unzufrieden wirkt. Er lebt halt in seiner eigenen Welt und scheint die meiste Zeit des Tages zu meditieren. Erika hat jedenfalls ein Herz für ihn. Gestern hat sie ihn zu einer warmen Mahlzeit in ein Restaurant eingeladen. Sie war überrascht über seine kultivierten Tischmanieren. Er ist nicht etwa wie ein Ausgehungerter über die erste warme Mahlzeit seit Wochen hergefallen, sondern hat jeden einzelnen Bissen förmlich zelebriert. Gestern Abend haben wir sie gesehen, wie sie bei Einbruch der Dunkelheit zum Kap gingen. Nun saßen sie gemeinsam beim Frühstück. Erika hat uns erzählt, dass sie Black Feather wahrscheinlich ein Flugticket nach Rom finanzieren will, seinem Traumziel. Erika wird noch ein paar Tage in Finisterre bleiben. Zu schade, dass wir den Verlauf dieser sonderbaren „Beziehung“ nicht weiterverfolgen können. Will Erika Black Feather gar „resozialisieren“? Will er das überhaupt? Wenn es so käme, wäre es ohne Zweifel DIE Geschichte des Camino!
     
    Bevor Ela und ich den Bus zurück nach Santiago bestiegen, schauten wir uns noch etwas in den teilweise ärmlich wirkenden Gassen von Finisterre um. Der Ort war vor 5 Jahren mit am schlimmsten von der Öltankerkatastrophe betroffen, als die „Prestige“ vor der Küste Galiziens sank. Viele Fischer und Muschelzüchter standen damals vor dem Nichts. Die Bilderwand in einer Bar dokumentiert auf eindrucksvolle Weise den beinahe übermenschlichen Einsatz der Helfer, wie sie die verheerenden Folgen der Ölpest zu bekämpfen versuchten. Es sind teils erschütternde aber zum Teil auch Mut machende Bilder. Wenn man Finisterre heute sieht, mag man gar nicht glauben, was sich damals hier abgespielt haben muss. Es grenzt an ein Wunder und zeigt auch, welche gewaltigen Selbstheilungskräfte in der Natur stecken. Die heutige Idylle ist keine reine Fassade, das Meer strahlt in tiefstem Blau und steckt wieder voller Leben. Trotzdem finden sich an den Stränden immer noch kleine Ölklumpen in tieferen Sandschichten, die mahnend an das Unglück erinnern.
    Wir feierten ein weiteres Wiedersehen. Adrian und Bernadette waren kurz vor unserer Abfahrt in Finisterre angekommen. Auch sie haben sich aufgerafft, den Weg hierher zu Fuß zu gehen. Sie wollen nur eine Nacht bleiben, sind morgen zurück in
    Santiago. Wir werden uns also noch einmal sehe n, zu einem letzten gemeinsamen Abendessen.
     
    Um 16 Uhr fuhr unser Bus, alles ging so fürchterlich schnell. Es schmerzte, die im strahlenden Sonnenlicht blau schimmernde Küste langsam aus den Augen zu verlieren. Der Abschied vom Camino hat begonnen! Die Fahrt war kein wirklicher Genuss, sie bedrückte mich eher. Die schöne Landschaft flog nur so an meinen Augen vorüber. Ich nahm sie zwar wohlwollend zur Kenntnis, mehr aber auch nicht. Die Geschwindigkeit war einfach zu hoch. Es blieb keine Zeit, Eindrücke bewusst aufzunehmen. Einmal mehr wurde mir klar vor Augen geführt, dass
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