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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Autoren: Meik Eichert
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Aufzeichnungen erwähnt. Sogar die „Italiener“ aus Los Arcos, die sich geweigert hatten, ihre Nudeln zusammen mit meinen zu kochen, waren zu einem Gespräch mit mir bereit. Sie kommen gar nicht aus Italien sondern aus Ungarn. Der Daniele de Rossi-Verschnitt trägt das Italien-Trikot nur, weil er Fan der Squadra Azzura ist. Hier im Gespräch waren sie mir richtig sympathisch, vielleicht würden sie ja heute auch ihre Nudeln mit mir kochen… .
     
    Karl-Heinz, Heidi und Ludger traf ich leider nicht. Schade! Wäre dann wohl auch ein bisschen zu viel des Guten gewesen. Um 12 Uhr besuchte ich noch einmal die Messe, als reiner Beobachter. Es fehlte das Feeling der eigenen Ankunft. Vielmehr schaute ich mir Details der Kirche an uns stellte innerlich mein abschließendes Ranking der Top-Kathedralen auf. Unangefochtene Nummer 1 bleibt Vézelay vor Bazas. Erst an Nr. 3 setze ich Santiago, dann knapp dahinter die Klosterkirche von Samos. Santiagos Kathedrale kommt unter anderem deswegen nicht an Vézelay heran, weil ihr durch den Rummel viel Ausstrahlung verloren geht. Es fehlt dieses nicht greifbare magische Element, was durch keinen Prunk dieser Welt ersetzt werden kann. Trotzdem ist‘s natürlich ein besonderer Ort, ohne Frage. Als Ziel des Pilgerweges fällt ihm außerdem eine symbolische Bedeutung zu wie keiner anderen Kathedrale.
     
    Die Kathedralen des Weges architektonisch und in Bezug auf Stilreinheit zu beurteilen, schenke ich mir. Das sollen Leute tun, die was davon verstehen. Aus meiner Sicht das monumentalste Bauwerk ist vor allen anderen der Kölner Dom. Keines sonst wirkt so gewaltig, ruft derartiges Staunen hervor.
     
    Mit dem Dom kam ich denn auch wieder amAnfang meiner Reise an. Köl n Santiago, 2.500 km Fußmarsch in 3 Monaten. Wow! Was bleibt? Die Pilgermesse war eine gute Gelegenheit, ein letztes Fazit zu ziehen. Ich konnte den Weg noch einmal in Ruhe auf mich wirken lassen. Die meisten Schlüsse hatte ich ja bereits gezogen, daran haben die letzten Tage nichts mehr geändert. Der Camino war wohl das Größte und Nachhaltigste, was ich in meinem Leben bisher getan habe. Und doch ist er im Grunde gar nicht so weit von der normalen Lebenswirklichkeit entfernt. Klingt komisch, ist aber so. Vieles, was hier passiert, findet sich auch im Alltag wieder. Der Unterschied besteht einzig in der Wahrnehmung, die auf dem Camino viel intensiver ist. Es gibt kaum Ablenkung, keine Einflussnahme von außen, keine lästigen Störungen, denen man in unserem Informationszeitalter sonst ständig ausgesetzt ist. Ja, der Weg öffnet den Raum für ein völlig neues Bewusstsein, wenn man sich denn darauf einlässt. Vieles, was wichtig war, hat an Bedeutung verloren, Prioritäten haben sich verschoben. Das geht bei mir so weit, dass ich das Leben an sich künftig weniger ernst nehmen werde. An der Sinnhaftigkeit ändert das nichts. Und daran, dass es eine temporäre Angelegenheit ist, auch nicht. Das Leben auf der Erde ist ein Kommen und Gehen, für jeden und alles. Da können wir uns noch so verrückt machen, an diesem kosmischen Gesetz ändern wir nichts. Was soll also der ganze Aktionismus? Unsere Existenz ist ein Wimpernschlag, egal wie sehr wir uns auch bemühen, mehr zu sein als das. Wie wir diesen Wimpernschlag erleben, ist ausschließlich das Ergebnis unserer eigenen Wahrnehmung. So sehe ich das!! Der Camino hat mich gelehrt, ehrlicher zu mir selbst zu sein. Es gibt keinen Grund, sich Dinge zurechtbiegen zu müssen. Mit Unehrlichkeit schade ich mir letztlich nur selbst, ja ich betrüge mich sogar selbst. Der Weg hat meine Sinne neu geschärft, ich sehe, höre und rieche besser. Ob ich dadurch scharfsinniger geworden bin, will ich mal dahingestellt lassen, eher wohl nicht. Meine einfachen Denkstrukturen werde ich beibehalten, sehe auch nichts negatives daran. Es gibt genug (zu viele) Menschen, die das Leben unnötig verkomplizieren, da möchte ich mich nicht einreihen. Ich glaube, meine vorher teilweise bereits vorhandene Gelassenheit ist eher gewachsen. Ich werde Dinge auf mich zukommen lassen und ausprobieren, keine unnötigen Problemgebilde aufbauen. Manches wird funktionieren, manches nicht. Schwierigkeiten werden sich relativieren, wenn ich sie von unterschiedlichen Seiten betrachte. Ich werde versuchen, mich weiterhin nicht wichtiger zu nehmen, als ich bin (könnte so manch anderem Menschen auch nicht schaden). Ich habe in den vergangenen 3 Monaten gelernt, wie viel Glück in der Einfachheit liegt. Diese
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