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Abaton

Abaton

Titel: Abaton
Autoren: C Jeltsch
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glücklich wahrnahm. Wenn das seine Zukunft war, dann war es alles wert gewesen, was im letzten Jahr passiert war. Seine Eltern lebten. Waren ganz in der Nähe. Er würde schon wieder mit ihnen zusammenfinden. Und gerade hatte man ihm eine grandiose Zukunft versprochen.
    Simon schaute Edda an.
    „Für das Gute, das Gerechte. Für immer!“, sagte Linus und hielt die Hand hin, auf dass die anderen einschlugen und den Pakt besiegelten.
    Für einen Moment schauten sie sich in die Augen, dann legten sie die Hände übereinander.
    „Für das Gute, das Gerechte. Für immer!“ Sie lachten. Und verstummten.
    „Wir sind verrückt, oder?“
    „Komplett!“
    Und wieder lachten sie.
    „New York! Tokio!“, Edda strampelte mit den Beinen vor Begeisterung. Sie bemerkten nicht, dass Greta im Raum stand, als das Licht anging.
    „Ihr habt euch entschieden“, sagte sie lächelnd. „Das freut mich sehr. Ihr werdet es nicht bereuen.“
    Das Trio schaute sie erwartungsvoll an. Greta hielt einen Computerausdruck in der Hand und wandte sich an Linus.
    „Wenn du schon einmal vorgehst, Linus? Sei so gut, bitte.“
    Linus wunderte sich zwar, aber er war zu gut gelaunt, um misstrauisch zu werden. Außerdem warteten an der Tür seine Eltern. Also trat Linus zu ihnen. Er wunderte sich nur, dass sie so bedrückt schienen. Aber da war die Tür schon hinter ihm ins Schloss gefallen und Greta war allein mit Simon und Edda im Kinosaal.
    „Es gibt eine ... geringe Veränderung unseres Planes.“ Greta machte ein Zeichen in Richtung der im Dunkeln liegenden Vorführerkabine und auf der Leinwand erschien das Foto eines schwarzen Jungen.
    „Das ist Paolo. Er stammt aus Brasilien. Salvador de Bahia. Ihr werdet ihn in wenigen Tagen kennenlernen.“
    „Warum?“, fragte Edda.
    „Er wird Linus ersetzen.“
    „Was?!“ Simon konnte es nicht fassen.
    „Ganz ruhig. Ich erkläre es euch“, sagte Greta. „Wir haben euch eben“ – sie deutete zu den Messinstrumenten an der Decke – „einer letzten Messung unterzogen. Und Linus hat nicht mehr das benötigte Potenzial.“
    „Wieso? Ich versteh das nicht.“ Edda war laut geworden. „Erreichen wir nicht mehr Level 17, oder was?“
    „Doch schon“, sagte Greta mit ruhiger Stimme. „Tendenz steigend sogar. Aber das Potenzial von Linus ist gestört. Möglich, dass sein Gehirn einer schädlichen Frequenz ausgesetzt war. So scheint es.“ Greta hielt inne, um Simon und Edda Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen. „Wisst ihr etwas darüber?“
    „Nein!“, rief Simon und kam Edda damit zuvor.
    „Ihr werdet sehen, Paolo ist ein wunderbarer Junge und ein perfekter Ersatz.“
    „Linus kann er bestimmt nicht ersetzen. Linus ist unser Freund!“, sagte Simon entschlossen. „Was wird jetzt aus ihm?“, fragte er dann. Und mit dieser Frage wuchs die Sorge in seinem Kopf, in seinem Herzen. Bis sie schwer wie ein Stein auf ihm lastete. Die Sorge, dass Linus dasselbe geschehen würde, was den anderen Kindern aus dem Camp passiert war. Hier nebenan, in der Disco. Plötzlich war aus der Sorge Angst um Linus geworden.
    „Wo ist er?“, wollte Simon von Greta wissen. „Was haben Sie mit ihm vor?“
    „Nichts.“ Greta lächelte. „Er ist bei seinen Eltern. Ihr könnt ihn sehen, sooft ihr wollt. Er wird ja sicher bei seinen Eltern hier in Berlin bleiben“, sagte Greta und reichte den beiden Unterlagen. „Lest euch das gut durch. Und unterschreibt dann. Eure Erziehungsberechtigen haben es bereits getan.“
    Sie setzte sich in die Reihe hinter den beiden und wartete. Edda begann zu lesen. Tatsächlich, da war sogar Maries Unterschrift.
    „Hallo Edda!“, sagte plötzlich eine vertraute Stimme. „Hab ich es doch gerade noch geschafft!“
    Verdattert drehte Edda sich um und blickte auf Marie, die lächelnd die Arme ausbreitete. So wie sie es immer getan hatte, um ihre Enkelin zu begrüßen. Marie trat durch die Tür.
    „Perfektes Timing“, sagte sie und wartete auf die Freude in Eddas Gesicht.
    Doch nach dem Film, der inszenierten Begrüßung und den Neuigkeiten über Linus breitete sich in Eddas Magen ein ungutes, schweres Gefühl aus. Ein Gefühl, für das sie sich schämte, weil sie Marie liebte. Pflichtschuldig steuerte Edda auf ihre Großmutter zu. Schloss sie in die Arme. Das Gefühl bedrückte sie mehr und mehr. Edda fühlte sich wie ein Fisch, der bei Hochwasser in die aufgestellten Reusen geschwommen war und sich auf der Suche nach Freiheit immer tiefer in den maschigen Kammern eines
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