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Abaton

Abaton

Titel: Abaton
Autoren: C Jeltsch
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dunkle Gestalt, die ein Stück weit die Straße hinauf in ihrem Auto gewartet hatte. Der Mann auf dem Fahrersitz lächelte. Die drei hatten es geschafft, sich zu befreien. Jeder von ihnen hatte seiner Angst in die Augen geblickt und war nicht vor ihr geflohen – und sie waren zusammengeblieben. Und hatten neue Fähigkeiten gewonnen. So leicht würden sie sich nicht vor den Karren von gene-sys spannen lassen.
    Der Mann schaute auf den Beifahrersitz. Dort lag die alte Schellackplatte mit der Aufschrift »Abaton«.
    Wenn alles gut lief, würde er bald mit seiner Arbeit beginnen können. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen, versenkte sich. Und er formte einen Gedanken, den er im Geiste formulierte und versandte, als handele es sich um eine E-Mail. „Marie? Sie haben es geschafft. Wie du gesagt hattest.“
    [ 1365 ]
    „Wir haben sie verloren“, sagte die Frau in der Zentrale.
    Greta nickte. „Aber sie entkommen uns nicht. Wir wissen viel zu viel über sie. Außerdem wird Edda versuchen, ihre Großmutter zu finden. Und die zwei Jungen werden sie dabei nicht im Stich lassen.“
    Sie dachte nach. „Die Freundschaft, die sie verbindet, ist möglicherweise zu stark. Es wird Zeit, sie zu zersetzen.“
    [ 1366 ]
    Olsens alte Kiste ratterte die Teufelsbergchaussee hinab in Richtung Innenstadt. Die Kinder starrten in die Scheinwerferkegel, in denen weiße Nebelfetzen tanzten.
    Kurz zuvor hatten sie ihre Handys aus dem Fenster geworfen und Linus war sicherheitshalber noch einmal mit dem Wagen darübergefahren.
    „Sieht aus, als würden wir statt als Begründer einer neuen glorreichen Welt demnächst auf der Straße leben müssen“, sagte Edda nach einer Weile.
    Die Jungen schwiegen.
    Noch war jeder mit sich beschäftigt und dem, was sie gerade erlebt hatten. Edda dachte an Marie. Simon an seinen Vater und Linus fragte sich, ob es nicht besser wäre, gar keine Eltern zu haben.
    „Immerhin kann uns keiner mehr sagen, was wir tun sollen“, sagte Linus in die Stille.
    Edda machte das Radio an. Ein langsames Hip-Hop-Lied ertönte. »Good Morning« von Kanye Wests Graduation.
    Bald wippten die Köpfe der drei im Takt.
    „Geil“, sagte Simon nach einer Weile.
    Die anderen beiden nickten. Was soll uns schon passieren?, dachten sie. Wir haben doch uns. Jeder behielt den Gedanken für sich. Denn ausgesprochen wäre er wirklich zu kitschig gewesen.
    „Echt kitschig, oder?“, sagte Edda dann. Und jeder wusste, was gemeint war. „Aber wahr“, fügte sie glücklich hinzu.
    Als sich der Nebel lichtete, lagen vor ihnen die Lichter der riesigen Stadt.

EPILOG
    [ 1E01 ]
    Aus dem Fenster blickte Bernikoff in den brennenden Himmel. Von hier oben konnte er sie sehen. Sie flogen in V-Formation. In weniger als fünf Minuten würden sie ihre schreckliche Last über der Stadt abladen. Die verbliebenen Sirenen heulten gegen die drohende Vernichtung an. Im Bett an der Wand lag das Mädchen mit den geschienten Beinen. Es hatte Angst davor, in den Keller zu gehen. Angst davor, verschüttet zu werden. Bernikoff wusste, dass in diesen Tagen niemand mehr ein kleines Mädchen aus einem verschütteten Keller retten würde. Die Welt stand in Flammen und Berlin verbrannte darin.
    Um das Mädchen von dem Schrecken abzulenken, entführte Bernikoff es in eine fantastische Geschichte. Und das kleine Mädchen hörte aufmerksam zu, was Bernikoff zu erzählen hatte. Er berichtete von einer wunderbaren Welt, die eines Tages entstehen und in der jeder Mensch seine Fähigkeiten zum Wohle aller einbringen würde. In der sich die Menschen wieder auf ihre Wurzeln besannen. Auf das, was den Menschen ausmachte. Worin er sich vom Tier unterschied. Und diese Ur-Eigenschaften der Menschen würden in drei Kindern wiederaufleben.
    Drei Freunden.
    „Wie heißen sie?“, fragte das Mädchen neugierig und schmiegte sich an Bernikoff. Er strich ihr über den Kopf.
    „Das Mädchen heißt Edda“, sagte er.
    „So ein schöner Name“, sagte das Mädchen bewundernd. „Und die Jungen?“
    „Simon und Linus.“
    Das Mädchen lächelte zufrieden. „Und wo sind sie?“
    „Sie werden erst noch geboren, Greta. Aber damit es so weit kommt, muss ich noch einmal in den Untergrund.“
    „Deine Bilder malen?“, sagte Greta.
    „Ja.“ Bernikoff nickte.
    „Gehst du jetzt?“, fragte sie voller Angst.
    „Nein“, sagte Bernikoff. „Nein, ich bleib bei dir, bis dein Vater wiederkommt. Bis alles vorüber ist. Morgen. Morgen werde ich die Reihe vollenden.“
    Das kleine
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